Generaldebatte im Parlament Scholz schließt Einsatz der Nato in der Ukraine aus

Berlin · Die Generaldebatte ist traditionell eine Sternstunde im Parlament. Kanzler Olaf Scholz nutzt sie für einen Rundumschlag, beschreibt politische Paradigmenwechsel und macht Ansagen zur Ukraine. Die Union geht mit der Regierung hart ins Gericht.

 Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), spricht in der Generaldebatte im Plenum im Bundestag.Foto: Michael Kappeler/dpa.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), spricht in der Generaldebatte im Plenum im Bundestag.Foto: Michael Kappeler/dpa.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Noch gibt es Premieren in der erst jungen Amtszeit von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Generaldebatte in der Haushaltswoche am Mittwoch ist so eine. Traditionell nutzt die Opposition diese für eine Abrechnung mit der Regierungsarbeit, der Regierungschef verteidigt normalerweise ausführlich die Grundzüge seiner Politik. Doch in den Tagen des Ukraine-Kriegs ist alles ein wenig anders im Bundestag. Scholz nutzt seine Redezeit für eine Art Regierungserklärung - und versucht die Deutschen damit ein Stück weit zu beruhigen.

Er höre die Stimmen derjenigen, die eine Flugverbotszone oder Nato-Friedenstruppen in der Ukraine forderten, betont der SPD-Politiker gleich zu Beginn. Aber: „So schwer es fällt – wir werden dem nicht nachgeben.“  Es müsse dabei bleiben, dass es keine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland geben dürfe. „Die Nato wird nicht Kriegspartei“, betont Scholz. Die Folgen, das bringt er in diesen Tagen öffentlich und intern immer wieder zum Ausdruck, wären für Deutschland unabsehbar. Scholz weiß hierbei US-Präsident Joe Biden fest an seiner Seite. Das Nato-Land Polen hatte dagegen eine solche Friedenstruppe ins Spiel gebracht.

Der Kanzler mahnt im Bundestag ein sofortiges Ende des Ukraine-Kriegs an. „Die Waffen müssen schweigen und zwar sofort“, fordert der deutsche Regierungschef.  Er habe in den vergangenen Tagen lange und intensiv auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen. „Putin muss die Wahrheit hören“. Mit dem Krieg werde nicht nur die Ukraine zerstört, sondern auch die Zukunft Russlands.

Mit Blick auf das historische Treffen der Nato, der EU und der führenden Industrienationen (G7) am Donnerstag in Brüssel, versichert Scholz: „Wir werden nichts unversucht lassen, bis wieder Frieden herrscht auf unserem Kontinent.“ Ob die laufenden Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum Erfolg führen, könne niemand sagen. Klar sei, dass über die Ukraine die Ukrainerinnen und Ukrainer verhandelten - „und niemand sonst“. 

Scholz dankt den Menschen, die sich mit Spenden und Engagement für die vertriebenen Menschen aus der Ukraine hierzulande einsetzten. „Die Flüchtlinge sind hier bei uns willkommen“, macht er deutlich.

Zum Schluss seiner Rede macht er sich selbst und den Bürgern Mut: „Große Krisen sind immer auch ein Anstoß zu Aufbruch und Veränderung“ und  nennt den Paradigmenwechsel mit Waffenlieferungen an die Ukraine, aber auch neue Wege in der Energiepolitik. Der Krieg im Osten Europas wirke wie ein Brennglas: „Weil er uns zu vermeintlich neuen, in Wahrheit aber längst überfälligen Schwerpunktsetzungen bringt.“

Für Oppositionsführer Friedrich Merz ist es ebenfalls die erste Generaldebatte in der Rolle des Unionsfraktionschefs. Er hatte die Debatte als erster Redner eröffnet und legt den Finger gleich in die Wunde. Er könne von der von Scholz beschworenen Zeitenwende nicht viel erkennen, ruft der CDU-Politiker ins Plenum. „Wenn Sie Recht haben mit der Zeitenwende,  müssten sie große Teile des Koalitionsvertrags neu verhandeln.“

Merz ist ruhig und sachlich, aber in der Sache hart, als er von den Ampel-Parteien mit Zwischenrufen unterbrochen wird. Die Angst der Union ist es, als purer Mehrheitsbeschaffer dazustehen. Für das von Scholz angekündigte Sondervermögen der 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist eine Grundgesetzänderung nötig - da werden die Stimmen der Union gebraucht.

Merz stellt klar: Die Union sei nicht die Ersatzbank für die Bundesregierung, von der sich die Regierung beliebig Ersatzspieler holen könne. In einem Sechs-Punkte-Katalog stellt er Bedingungen für die Zustimmung der Union: So müsse die Bundesregierung etwa dauerhaft und nicht nur vorübergehend mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. Das ist innerhalb der Ampel-Regierung umstritten. Die Union wolle zudem vor der Verabschiedung wissen, welche Bundeswehr-Anschaffungen mit dem Geld genau finanziert werden sollten. CDU und CSU wollten über ein Begleitgremium dauerhaft über die Umsetzung mitentscheiden.

Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen tippt während Merz‘ Rede  auf seinem Handy. Ob er dabei den Tweet von SPD-Chef Lars Klingbeil gelesen hat? Klingbeil wirft Merz während der Debatte „taktische Spielchen“ im Zusammenhang mit der geplanten Grundgesetzänderung vor. „Friedrich Merz hat heute im Bundestag angekündigt, dass nicht alle Abgeordneten von CDU/CSU für eine bessere Ausstattung unserer Soldatinnen und Soldaten stimmen dürfen“. Scholz wiederum geht einen Schritt auf Merz zu. Es sei völlig ok, dass der Unionsfraktionschef seine Vorstellungen äußere, man werde darüber diskutieren. Der Kanzler sagt zu, dass alle Investitionen abgesichert im Grundgesetz der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zugutekämen.

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla wirft der Regierung  vor, dass sie durch die Waffenlieferung an die Ukraine zumindest indirekt mit dem Säbel rassle. Auch die westlichen Sanktionen gegen Russland kritisiert er. Ein Wort des Bedauerns gegenüber der Ukraine kommt ihm nicht über die Lippen. Stattdessen sagt er an die Adresse von Merz: „Mit Herrn Merz als Bundeskanzler wären wir schon im Dritten Weltkrieg.“ Er erntet verständnisloses Kopfschütteln auf Regierungs- und Unionsbank. 

(mün)
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