Kritische Aussagen überprüft Bundeswehr stellt Verfahren gegen AfD-Landesvorsitzenden Uwe Junge ein

Mainz · Uwe Junge hatte unter anderem Angela Merkel bei einer Rede im Landtagswahlkampf vorgeworfen, „zum Schaden des eigenen Volks“ zu handeln.

Die Bundeswehr hat das Disziplinarverfahren gegen den rheinland-pfälzischen AfD-Landesvorsitzenden und Oberstleutnant a. D. Uwe Junge eingestellt. Junge musste sich wegen Äußerungen gegenüber einer lesbischen Soldatin sowie scharfer Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel verantworten. Die Aussagen gegenüber der Kameradin stufte das Koblenzer Truppendienstgericht Süd allerdings als Dienstvergehen ein.

Besonders interessant ist das Urteil hinsichtlich einer Rede aus dem Landtagswahlkampf, bei der Junge Angela Merkel vorgeworfen hatte, „zum Schaden des eigenen Volks“ zu handeln, weil sie eine Obergrenze für Flüchtlinge abgelehnt hatte. „Das ist nichts anderes als Vaterlandsverrat.“ Außerdem nannte er bei diesem Auftritt im Bad Kreuznacher Hotel Fürstenhof Politiker, die aus seiner Sicht für die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht von 2015 verantwortlich sind, eine „ehrlose Bande von Hasenfüßen“.

Junge war damals noch im Dienst. Die Richter attestierten ihm nun, dass er sich so äußern durfte: „Die vom früheren Soldaten gehaltene Rede steht seinen soldatischen Pflichten nicht entgegen.“ Der Urteilsbegründung ist zu entnehmen, dass Junges Rede als „polemische Kritik“ an der Politik der Kanzlerin zu verstehen ist. Das sei im Wahlkampf absolut üblich. Junge bewege sich entlang der Grenze von zulässigen – weil grundgesetzlich geschützten – Meinungsäußerungen und falschen Tatsachenbehauptungen. In der Rede wurde diese nach Ansicht der Richter allerdings niemals überschritten.

Auch eine unzulässige Schmähkritik sei nicht zu erkennen. Das Gericht argumentiert beispielsweise, dass Junge zwar die Politik der Kanzlerin mit Vaterlandsverrat gleichsetzt, sie aber nicht selbst als Vaterlandsverräterin tituliert. Es gehe ihm damit „im Schwerpunkt nicht um die persönliche Herabsetzung der Bundeskanzlerin“. Das Urteil dürfte in Bundeswehrkreisen Präzedenzcharakter entwickeln. Ob es auch ein Hinweis für zivile Verfahren – beispielsweise gegen Beamte, die sich bei der AfD engagieren – ist, bleibt abzuwarten.

Eine lesbische Soldatin, der Junge vorgesetzt war, hatte derweil vier Aussagen Junges angeprangert. Auf einer Busfahrt zum Weihnachtsmarkt sagte Junge im Beisein anderer Soldaten: „Sie können ja auch wie eine Frau aussehen.“ In einem Gespräch in seinem Büro äußerte Junge später, dass Kinder, die bei einem lesbischen Ehepaar aufwachsen, sich nicht „bürgerlich-konservativ“ entwickeln könnten.

Er stellte außerdem infrage, ob ein so aufgewachsener Sohn je eine Frau heiraten würde. Auch in den beiden weiteren Streitpunkten geht es um das Spannungsfeld zwischen Junges Familienbild (Vater, Mutter, Kinder) und dem Lebensmodell der Soldatin (Mutter zweier Adoptivkinder). Das Verdikt: „Die Kammer ist (…) der Auffassung, dass der frühere Soldat vorliegend zwar pflichtschuldig gehandelt hat, jedoch das Maß der Schuld gering anzusehen ist“.

Politisch pikant ist eine weitere Passage aus der Urteilsbegründung: „Im Hinblick auf die weiteren Abläufe drängt sich für die Kammer der Verdacht einer Fremdsteuerung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den früheren Soldaten massiv auf.“ Der Hintergrund: Das Verfahren gegen Junge war bereits eingestellt, dann aber erneut eröffnet worden. Nicht wenige innerhalb der AfD vermuten eine politische Einflussnahme durch das Verteidigungsministerium.

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