Interview Jürgen Hardt „Die Polarisierung der israelischen Gesellschaft ist überall spürbar“

Interview | Berlin · Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht im Interview über die Polarisierung der israelischen Gesellschaft, Netanjahus Besuch im Kanzleramt und das Ziel der Zweistaatenlösung.

Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagt: „Israel hat die härtesten zwei Monate seit langem hinter sich.“

Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagt: „Israel hat die härtesten zwei Monate seit langem hinter sich.“

Foto: Meuter, Peter (pm)

Wie schätzen Sie die Situation in Israel ein, nachdem US-Präsident Biden nun auch noch mal auf Premier Netanjahu eingewirkt hat hinsichtlich der Justizreform?

Hardt Die Polarisierung der israelischen Gesellschaft ist überall spürbar. Wir haben hier auch mit Wissenschaftlern, Journalisten und Schülern gesprochen, die ihr Land in einer schwierigen Situation sehen. Diese Unsicherheit schwächt Israel erheblich. Angesichts der Tatsache, dass der selbsterklärte Israel-Feind Iran kurz vor der Atombombe steht, ist dies eine ausgesprochen angespannte Lage. Gerade jetzt käme es darauf an, angesichts dieser äußeren Bedrohungen geschlossen und einig den Herausforderungen zu trotzen. Dazu scheint die aktuelle israelische Regierung leider nicht die Kraft zu haben.

Hat Kanzler Scholz genug Klartext gesprochen bei Netanjahus Besuch im Kanzleramt?

Hardt Ich muss dem Bundeskanzler keine Haltungsnoten geben. Ich denke aber, es gibt einen Konsens der demokratischen Parteien der Mitte, dass wir den gegenwärtigen innenpolitischen Kurs in Israel kritisch sehen. Aber eine stabile Freundschaft hält das aus. Ich glaube, dass Premier Netanjahu sowohl in Berlin als auch in anderen europäischen Hauptstädten mehr Unterstützung auch in der Innenpolitik erwartet hat. Dass Netanjahus Kurs in Deutschland kritisch gesehen wird, hat ihn vielleicht doch beeindruckt.

Es soll einen Mechanismus zur Gewalt-Eindämmung geben – hat das nach den Ausschreitungen der vergangenen Wochen und Tage Ihrer Ansicht nach eine Chance?

Hardt In dieser Woche beginnt der Ramadan. Ich hoffe sehr, dass diese Zeit von allen Seiten dafür genutzt wird, die Gewalt einzudämmen. Israel hat die härtesten zwei Monate seit langem hinter sich. Es gab mehr Terroranschläge. Dass an den Verhandlungen zur Eindämmung der Gewalt Vertreter der USA, Ägyptens und Jordaniens teilgenommen haben, zeigt den tiefverwurzelten Willen in der Region, die Gewalt zu beenden. Ich bin optimistisch, dass dies gelingt.

Soll Deutschland weiter das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung verfolgen?

Hardt Das Ziel der Zweistaatenlösung erscheint gegenwärtig weit weg. Das liegt auch an der Spaltung innerhalb der Palästinenser. Dennoch halten wir als CDU und CSU eine nachhaltige Aussöhnung mit den Palästinensern durch eine Zwei-Staaten-Lösung für den besten Weg. Es braucht langfristig einen souveränen, lebensfähigen palästinensischen Staat. Und Israels Zukunft als jüdischer und demokratischer Staat würde durch zwei friedlich miteinander existierende Staaten ungleich sicherer. Auch wir als deutsche Politiker stehen hier in der Verantwortung, im Dialog mit Politikern im Nahen Osten für diese Lösung und die hierfür notwendigen Voraussetzungen einzutreten.

Welche Erwartungen verbinden Sie mit dem Besuch von Friedrich Merz und Teilen der Unions-Fraktionsspitze in Israel?

Hardt Wir sind als Freunde gekommen. Und unter Freunden kann man auch mal offen über alles reden. Trotz aller aktuellen Debatten werden wir betonen, dass Deutschland auch zukünftig eine besondere Verantwortung für das Existenzrecht und die Sicherheit Israels trägt. Israel ist zudem einer der innovativsten Wirtschaftsräume der Welt. Eine Reihe wichtiger Erfindungen, die das Leben der Menschen konkret verbessert haben – etwa in der Medizin, der Landwirtschaft, der digitalen Wirtschaft –, kommen aus Israel. Zugleich ist Deutschland einer der wichtigsten Investitions- und Handelspartner Israels. Diese gewinnbringende Partnerschaft gilt es weiter auszubauen und zu stärken.

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