CDU-Parteitag wählt Friedrich Merz Mit Kraft, Herz und bebender Stimme

Analyse | Berlin · Mit so einem Ergebnis hat auch er nicht gerechnet. Auf dem CDU-Parteitag wird Friedrich Merz mit über 94 Prozent der Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Unter Tränen nimmt er die Wahl an. Auch sein Vorgänger Armin Laschet schlägt noch einen Pflock ein.

 Ein starke Ergebnis hat Friedrich Merz bei der Wahl zum CDU-Chef erhalten. Er nahm die Wahl sichtlich bewegt an.

Ein starke Ergebnis hat Friedrich Merz bei der Wahl zum CDU-Chef erhalten. Er nahm die Wahl sichtlich bewegt an.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Um 12.10 Uhr ist Friedrich Merz am Ziel. Dem scheidenden Generalsekretär Paul Ziemiak wird im Konrad-Adenauer-Haus der Zettel mit dem Wahlergebnis gereicht. Während Ziemiak vorliest, steht Merz gebannt vor einem Bildschirm nebenan, bei ihm sein künftiger Generalsekretär Mario Czaja und dessen baldige Vize Christina Stumpp. 94,62 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält Merz. Was für ein Resultat. Die Emotionen übermannen den ansonsten so hartgesottenen Sauerländer. Der dritte Versuch, CDU-Chef zu werden, hat endlich funktioniert.

Merz tritt ans Rednerpult. Tränen hat er in den Augen, die Stimme bebt. Mit einem so hohen Zuspruch hat der 66-jährige selber nicht gerechnet. „Ich bin tief bewegt und beeindruckt von diesem Wahlergebnis.“ Das sei ein „starker Auftrag und ein großartiges Mandat“, sagt er, „um die Arbeit jetzt mit Kraft und Herz zugleich anzugehen“. Einer der ersten Gratulanten: Vorgänger Amin Laschet. Der gescheiterte Kanzlerkandidat lächelt tapfer. Er räumt danach sofort seinen Platz am Vorstandstisch.

20 Minuten lang hat Merz vor seiner Wahl gesprochen, die jetzt noch per Brief von den 1001 Delegierten bestätigt werden muss. Im leichten Stakkato, mit weniger Elan als sonst. Es ist ein digitaler Parteitag ohne Publikum, ohne Applaus, ohne Interaktion. Die Delegierten hocken daheim vor den Bildschirmen oder in den Kreisgeschäftsstellen. Merz liegen solche Auftritte nicht, er braucht die Stimmung, um in Form zu kommen. Also müht er sich durch seine Rede. Wohlwollend heißt es hinter den Kulissen, sein Auftritt sei „staatsmännisch“.

Er schlägt er aber einige Pflöcke ein. „Wir haben unser Selbstvertrauen nicht verloren“, so Merz. Die Union müsse den Anspruch haben, „wieder die Regierung von morgen sein zu können“. Seine Partei habe jetzt drei Aufgaben: Kraftvolle Opposition im Bund zu sein, die Wahlen in den Ländern zu gewinnen und eigene Antworten durch ein neues Grundsatzprogramm zu geben. Merz nennt als ein Thema die soziale Gerechtigkeit in Zeiten des demografischen Wandels - schon länger versucht er, das Image des reinen Wirtschaftsexperten abzustreifen. Er betont freilich auch: „Wir müssen zeigen, dass Klimaschutz und Industriearbeitsplätze zusammengehen.“ Viele, große Herausforderungen benennt er.

Frontal greift Merz Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an. Er fragt provozierend, wo die Führung sei, die Scholz versprochen habe. „Sie wollen eine Impfpflicht und weigern sich, einen Regierungsentwurf vorzulegen.“ Scholz sei angesichts der Ukraine-Krise bisher weder in Washington noch Moskau gewesen. Alle seine Vorgänger, „Herr Bundeskanzler, hätten in dieser Lage Führung gezeigt“, attackiert Merz. Mit ihm scheint die Union jetzt in der Opposition angekommen zu sein.

Gleich zu Beginn seiner Rede mahnt Merz CDU und CSU zur Geschlossenheit. „Was wir 2021 in der Union erlebt haben, das darf sich nicht wiederholen und wird sich nicht wiederholen“, sagt er in Anspielung auf den erbitterten Streit mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur von Armin Laschet. Nachdem Merz zum Vorsitzenden gekürt ist, wird der CSU-Chef aus Nürnberg zugeschaltet. „Das ist schon ein dickes Pfund“, kommentiert er das Ergebnis von Merz. Söder räumt ein, dass es 2021 Verletzungen gegeben habe. „Verletzungen bei euch und bei uns. Die müssen wir heilen, um wieder erfolgreich zu sein.“ Kleinlaut ergänzt Söder, das tue ihm leid. „Es muss und wird anders werden.“ Danach folgt auch ein Treueschwur von Merz. Man wird sehen, ob der neue Friede hält.

Der Parteitag beginnt am Morgen damit, dass viel gedankt wird. Armin Laschet dankt in seiner Abschiedsrede seiner Partei, den vielen, die ihm ihr Vertrauen geschenkt hätten. Er dankt Friedrich Merz für vertrauliche Gespräche; Merz wiederum ist von den Gremien am Freitag ausdrücklich gebeten worden, ein paar nette Worte über Laschet zu sagen. Da kann man sich nicht zieren. Merz macht das ohne Überschwang. Er danke Laschet für seinen „großartigen Einsatz für die CDU“.  Man sei beim ersten digitalen Parteitag vor einem Jahr noch Gegner und Wettbewerber gewesen; Merz verlor seinerzeit die Stichwahl gegen Laschet. „Eine persönliche Feindschaft ist daraus nie geworden“, betont Merz.

Dann ist da auch noch der scheidende Generalsekretär Paul Ziemiak, der von Mario Czaja abgelöst wird. Czaja erhält 92,89 Prozent der Stimmen. Ziemiak dankt fast allen, erst Laschet, dann seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die den heute 36-jährigen 2018 überraschend zum Generalsekretär gemacht hatte. Laschet singt dann auch noch eine Lobeshymne auf Ziemiak – und Merz muss die Abschiedsgeschenke überreichen. Beide bekommen ein Ipad mit besonderen Apps, „damit kannst du umgehen“, witzelt Merz zu Laschet.

Man könnte meinen, bei der Union ist alles in Butter, der Stuhlkreis hat funktioniert, man liegt sich wieder in den Armen. So behutsam und freundlich geht man auf dem 34. Parteitag miteinander um. Das gehört zum Neustart dazu. Doch so ist es natürlich nicht. Viel Aufbauarbeit wartet jetzt auf den neuen Vorsitzenden, auf die ebenfalls neu gewählten Gremien Präsidium und Vorstand. Armin Laschet blickt in seiner Abschiedsrede zunächst zurück: Im Januar 2021 habe die CDU am Anfang eines Weges gestanden, „dessen Ziel klar war. Wir wollten den Nachfolger von Angela Merkel stellen. Wir wussten, dass es schwierig werden würden, ein schwerer Weg, ein harter Wahlkampf.“ Vor allem ein erfolgloser. „Hinter uns liegt ein Jahr wie eine Achterbahn“, schiebt Laschet nach. Erneut räumt er ein: „Dieser 26. September war eine Niederlage, es ist ein offene Wunde, noch immer, und die Narbe wird bleiben“. Er habe die Verantwortung für die Wahlniederlage übernommen, aber auch für den Neustart.

Laschet attackiert vor allem die SPD, sein letzter klarer Akzent als Parteichef. Der politische Gegner habe sich eine gewisse Häme angewöhnt, die SPD behaupte sogar, die Union läge am Boden. „Ja, wir haben eine Bundestagswahl verloren, ja, im Bund sind wir in der Opposition, aber die CDU Deutschland ist mehr als eine Bundespartei. Wir haben starke Ministerpräsidenten.“ Der NRW-Mann warnt aber: „Vertut euch nicht.“ Er ergänzt: „Zieht euch warm an, die CDU kommt wieder.“ Freilich nicht mehr mit ihm an der Spitze. Sondern jetzt mit Friedrich Merz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort