Parteitag zum Wahlprogramm Das Problem einer „normalen“ AfD

Meinung · Bei ihrem Programmparteitag hat die AfD die Normalität als zentrale Aussage ihres Wahlkampfes gewählt. Sie ummantelt damit ihre Radikalität, die in zahlreichen Zuspitzungen zum Ausdruck kam.

Mit einer scheinbar harmlos-sympathischen Botschaft will die AfD vor die Wähler treten: „Deutschland. Aber normal.“ Zu ihrem Wahlslogan hat sie einen Imagefilm vorbereitet, der auf eine Gegenüberstellung hinausläuft: Hier die filmischen Erinnerungen an entspannt miteinander umgehende Freunde und Familien, dort die im Lockdown weggesperrten Stühle des Außencafés.  Damit landet sie einen emotionalen Treffer. Sehnen sich nicht alle Menschen nach Normalität in diesen von Erschrecken, Angst und Frust geprägten Krisenzeiten?

Die Botschaft ist gleich dreifach tückisch. Wenn die AfD suggeriert, in der Pandemie nur die AfD dran lassen zu müssen, und schon sei alles wieder normal und Corona vorbei, wie es ihr Thüringer Landeschef Björn Höcke schon im letzten Sommer verkündete, so öffnet sie in Wirklichkeit den Corona-Gefahrenleugnern Tür und Tor. In der Phase mutierter Viren, in der immer mehr junge Menschen infiziert in die Intensivstationen müssen, ist das Plädoyer für sorglosen Umgang und die Behauptung einer lediglich „herbeigetesteten Pandemie“ (so Höcke) verhängnisvoll.

Nicht minder problematisch ist das Wort „normal“ im AfD-Zusammenhang mit Blick auf das von der Partei verfolgte Gesellschaftsbild. „Normal“ sei, dass eine Familie aus Vater, Mutter und Kindern bestehe, sagte Parteichef Jörg Meuthen. Neben ihm saß dabei Fraktionschefin Alice Weidel, die mit ihrer Partnerin und ihren Kindern ein anderes Familienbild lebt. Es ist zudem der Versuch der AfD, Positionen und Formulierungen für „normal“ zu erklären, die das kulturelle Klima des Miteinanders mit Migranten und Minderheiten zerstören. Was sich vor Jahren einfach nicht gehörte, weil es rassistisch, antisemitisch oder sexistisch fragwürdig ist, dem hat die AfD mit ihren lebhaft mithetzenden Echokammern im Netz zu einer Dauerpräsenz in der Gesellschaft verholfen. „Normal“ darf das nicht werden.

Und nicht zuletzt ist das Spiel mit dem Wort „normal“ als Versuch zu werten, sich als „normale“ Partei zu inszenieren, im Wahljahr also auf eine Selbstverharmlosung einzuschwenken. Die AfD rutschte nach ihrer Gründung in die Zweistelligkeit bei den meisten Landtagswahlen, weil sie sowohl unzufriedene bürgerliche Wähler als auch heimatloses radikales bis extremistisches Potenzial bediente. Sie blinkt wechselseitig in beide Richtungen und bewegt sich damit ständig im Grenzbereich zwischen legitimer Opposition und verfassungsfeindlichen Strömungen. Der Programmparteitag in Dresden hat deutlich werden lassen, welches radikale Potenzial bei denen lauert, die in der Person von Höcke nun immer mehr Einfluss auf die Partei auch offen zeigen – und wohin sie die AfD treiben wollen.

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