Die Ampel ringt um ein nächstes Entlastungspaket Die Grünen und das liebe Geld

Potsdam · In dieser Woche der Klausuren sortieren sich die Koalitionsparteien für einen schwierigen Herbst. Die Grünen wollen schnell ein Entlastungspaket -- und sich von Sticheleien aus Reihen von SPD und FDP möglichst nicht provozieren lassen

Vorbereitung auf schwierige Wochen: Der erweiterte Vorstand der Grünen-Bundestagsfraktion mit Ministern bei der Klausur in Potsdam

Vorbereitung auf schwierige Wochen: Der erweiterte Vorstand der Grünen-Bundestagsfraktion mit Ministern bei der Klausur in Potsdam

Foto: dpa/Martina Herzog

Es knirscht. Katharina Dröge und Britta Haßelmann haben die Querschüsse und gezielten Angriffe der vergangenen Tage aus Reihen von SPD und FDP gegen die Grünen sehr wohl registriert. Gegenangriff oder besser Schweigen? Alles eine Stilfrage, sagt Haßelmann. Die beiden Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion haben in dieser Woche der Klausuren gleich für drei Tage den erweiterten Fraktionsvorstand in einem Potsdamer Hotel zusammengetrommelt, um über die Lage im Land, aber auch in der Koalition zu beraten. Die Grünen schweben in aktuellen Umfragen auf einer Welle der Zustimmung mit Werten von bis zu 25 Prozent, während die SPD auf 17 Prozent gefallen ist und die FDP bei sieben Prozent dümpelt. Der Ampel könnten schwere Tage ins Haus stehen. Aber man wolle sich von SPD und FDP nicht provozieren lassen, heißt es bei den Grünen. Im Namen der Koalitionsdisziplin.

Der erweiterte Vorstand der Grünen-Bundestagsfraktion berät über einen Herbst, der stürmisch werden könnte. Sie wollen vorbereitet sein und sammeln ihr Wissen. Alle Bundesminister der Grünen sind mit im Saal: Annalena Baerbock, Robert Habeck, Cem Özdemir, Steffi Lemke, Lisa Paus. Bereits zu Wochenbeginn hatte sich der Parteivorstand für zwei Tage in Hannover zu Gesprächen über die kommenden Wochen zurückgezogen. Co-Parteichef Omid Nouripour hatte unter anderem auf einige schlechte Eigenschaften verwiesen, die sich die SPD in insgesamt zwölf Jahren großer Koalition mit CDU/CSU angeeignet habe. „Es ist uns allen bekannt, dass schlechte Gewohnheiten haften“, hatte Nouripour spitz bemerkt. Aber davon wolle man sich nicht beeindrucken lassen. Insgesamt arbeite die Ampel-Koalition gut zusammen.

In den nächsten Tagen soll der Koalitionsausschuss tagen, der ein drittes Entlastungspaket beschließen soll, mit dem die Ampel vor allem jenen Bürgerinnen und Bürger helfen will, die die hohen Energiepreise kaum mehr aus eigener Kraft bezahlen können. Nur wann die Koalitionsspitzen zusammenkommen, ist zunächst offen. Die Grünen wollten „lieber heute als morgen“, aber noch steht kein Termin. Vielleicht Freitag, vielleicht Samstag, vielleicht Sonntag. Ein Spitzen-Grüner lässt dann durchblicken, dass er sich auf einen Koalitionsausschuss am Samstagvormittag einstelle. Schon wieder also Wochenendarbeit. Dabei hatte sich die Ampel auch als äußeres Zeichen einer veränderten politischen Kultur vorgenommen, nicht mehr nachts und nicht mehr an Wochenenden zu tagen. Familienzeit, Auszeit, Politikpause. Aber der politische Betrieb ist gnadenlos. Erst recht in Zeiten von Krieg, Krise und Inflation.

Dazu wüssten die Grünen gerne genauer, wieviel Geld Bundesfinanzminister Christian Lindner tatsächlich zu verteilen hat. Denn: Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sprudeln. Nach dem Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums hat die Mehrwertsteuer in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 21 Prozent mehr Geld in die Staatskasse gespült als im selben Vorjahreszeitraum. Ein Fünftel mehr. Viel Holz. Die Grünen haben sich bei ihrer Klausur in Potsdam von zwei Ökonomen vorrechnen lassen, dass in den nächsten Monaten eine konsumgetriebene Rezession das Land überziehen könnte, weil die Menschen wegen der gestiegenen Preise schlicht kein Geld mehr hätten. Die Grünen wollen vor allem kleinere Einkommen entlasten: Rentnerinnen und Rentner mit kleinen Renten, Studierende, Familien mit Kindern. Ob Einmalzahlung, höherer Hartz-IV-Regelsatz, künftiges Bürgergeld und Verbot von Gas- und Stromsperren für Verbraucher, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können – über all dieses will die Koalition aller Voraussicht nach an diesem Wochenende beraten. Dröge sagt, es werde kein einstelliger Milliardenbetrag sein, auf den sich die Ampel dann verständigen sollte.

Grünen-Co-Fraktionschefin Haßelmann will den Streit in der Ampel am liebsten hinter sich lassen. Die Ampel sei „sehr gefordert“ mit drei Krisen gleichzeitig: Klima, Corona, Ukraine-Krieg. „Deswegen steht im Fokus für uns, dass wir als Ampel handlungsfähig sind. Und das erwarten die Menschen von uns zurecht.“ SPD, Grüne und FDP hätten sich als Ampel zusammengeschlossen, „um dieses Land nach vorne zu führen“. Deswegen: alles, aber keine Selbstbeschäftigung. Haßelmann sagt dann noch in Richtung SPD und FDP: „Was zählt, ist das, was wir politisch auf den Weg bringen. Und da gehe ich davon, dass alle drei Koalitionspartner das wissen.“

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