Klausurtagung in Berlin Die CSU will das „Comeback der Union“ einläuten

Analyse | Berlin · Zum Auftakt in das erste Oppositionsjahr soll die CSU-Klausurtagung im Berliner "Amplifier" als Verstärker dienen. Hochkarätige Gäste von Markus Söder über Hendrik Wüst bis Friedrich Merz sollen dabei helfen. Doch bei manch einem missliebigen Thema werden die sonst gerne lauten Christsozialen kurzsilbig.

 „So geschlossen wie lange nicht mehr“: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (l.) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) betonten die Einigkeit der Schwesterparteien.

„So geschlossen wie lange nicht mehr“: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (l.) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) betonten die Einigkeit der Schwesterparteien.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die CSU ist nicht dafür bekannt, einen Verstärker zu brauchen. Die Klaviatur der lauten politischen Töne beherrscht sie eigentlich ganz gut. Aber: Neue Bundesregierung, neue Herausforderung. In Berlin sitzt die Union nun in der Opposition und steht weit weniger im Fokus der Öffentlichkeit als bisher. Und so ist der Schauplatz, den die CSU-Landesgruppe für ihre zweitägige Klausur gewählt hat, auch Ausdruck des aktuellen Zustands: Der „Amplifier“ (zu Deutsch Verstärker) im Berliner Stadtteil Wedding, ein  Veranstaltungskomplex in backsteinerner Gründerzeitarchitektur, soll einen Booster bringen. Das Programm jedenfalls lässt aufhorchen.

Am Mittwochvormittag tritt Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder auf, um den „Auftakt für das Comeback der Union“ einzuläuten. Am Nachmittag folgt ein Besuch von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Für Donnerstag haben sich unter anderem der frisch gebackene CDU-Chef Friedrich Merz sowie der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, angekündigt. Die Frage, warum unter den insgesamt neun Namen auf dem Programm keine einzige Frau auftaucht, beantwortet Dobrindt nur kurzsilbig: Die eingeladenen Frauen hätten den coronabedingt verschobenen Klausurtermin nicht möglich machen können. Dass auch für den ursprünglichen Termin Anfang Januar mit EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel nur eine Frau geladen war, erwähnt der Landesgruppenchef nicht. Manch missliebiges Thema will er wohl nicht verstärken.

Stattdessen betont man lieber die große Einigkeit zwischen CDU und CSU. Mit den Einladungen an Wüst und Merz will Dobrindt „überdeutlich machen, dass das größte Interesse der beiden Unionsparteien, darin besteht, dass wir gemeinsam in die nächsten Herausforderungen – das sind die Landtagswahlen und das ist die nächste Bundestagswahl –  gehen.“ Die CSU will dazu beitragen, der CDU bei der NRW-Wahl am 15. Mai zum Erfolg zu verhelfen. Wüst lobt, die CSU-Landesgruppe sei „sehr schnell angekommen in der neuen Realität hier in der Opposition“, während die Bundesregierung ihre „Spielaufstellung“ noch suche. Zuvor hatte bereits Söder zum verbalen Rundumschlag ausgeholt. Ob bei Corona, Ukraine-Krise, hohen Energiepreisen oder der Inflation: „In diesen Zeiten müsste eine Bundesregierung eigentlich ein Gefühl von Sicherheit, von Verlässlichkeit und von Klarheit definieren. Alles ist nicht der Fall“, meint Söder. Die Schwesterparteien vereint gegen die Ampel – dieses Signal soll sitzen.

Doch in der Corona-Politik werden Unterschiede deutlich. So fordert Söder Öffnungsperspektiven für den Weg aus der Pandemie. „Wir brauchen einen Stufenplan, wie wir in den nächsten Wochen tatsächlich Erleichterungen durchführen können“, so der bayerische Ministerpräsident. Damit nimmt Söder Abstand vom „Team Vorsicht“, als dessen Anführer er lange auftrat.

Wüst schlägt dagegen vorsichtigere Töne an. Die Rücknahme von Einschränkungen müsse gut vorbereitet sein. „Das kann natürlich erst möglich sein, wenn der Höhepunkt der Omikron-Welle überschritten ist“, sagt Wüst. Der NRW-Regierungschef mahnt, Öffnungen mit dem „Basisschutz“ wie Masketragen und Abstandhalten abzusichern. „Die Bundesregierung darf nicht an ihrem Plan festhalten, zu Mitte März Basisschutzmöglichkeiten den Ländern zu nehmen“, so Wüst. Wenn der Bundestag nicht handle, würde die entsprechende Rechtsgrundlage am 19. März auslaufen.

In der kommenden Woche wollen CDU und CSU im Bundestag einen Entwurf für ein „Impfvorsorgegesetz“ vorlegen werden, kündigt Dobrindt an. Es soll die Möglichkeit einer Impfpflicht umfassen, an die Entwicklung der Infektionszahlen und bestimmte Risikokgruppen angepasst sowie zeitlich eng befristet sein. Konkrete Details bleiben vorerst offen.

Vor allem aber will die CSU bei der Klausur ihren Standort neu bestimmen. Söder spricht von der Selbstverortung als  „liberal-konservative-bürgerliche Kraft in der Mitte“  und von neuer „Bindungskraft“. Der CSU-Chef will den Mittelstand ansprechen, die „Lebensrealität der kleinen Leute“ stärker abbilden, auf soziale Themen wie Rente, Pflege und Energiepreise setzen. Klimaschutz sei die größte Herausforderung, aber die größte Kunst sei es, ihn so zu gestalten, dass weder Wirtschaft noch Wohlstand leiden. „Wir brauchen nicht nur eine Debatte um mehr Windräder, sondern mehr Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger.“ Fast gleichlautend äußert sich später auch Wüst: „Es darf nicht sein, dass das Thema Energiepreise zur neuen sozialen Frage wird.“ Nach Differenzen bei der Corona-Politik soll in der Sozialpolitik der Schulterschluss betont werden.

Dobrindt greift das Bonmot des früheren SPD-Chefs Franz Müntefering auf, wonach Opposition Mist sei. „Wer glaubt, dass Opposition Mist ist, der wird auch irgendwann Mist erleben“, sagt Dobrindt. Er habe eine andere Einschätzung: „Opposition ist opportunity.“ Nun wolle man die „Aufholjagd“ auf die Ampel starten. Der Berliner „Amplifier“ wirkt, die Anglizismen sitzen locker. Ob die CSU-Verstärkerklausur auch zu mehr als kantiger Wortwahl führt? Dieser Beweis steht noch aus.

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