Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart Was Christian Lindner von John F. Kennedy gelernt hat

Berlin · Beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP im Stuttgarter Opernhaus betont Parteichef Christian Lindner vor coronabedingt leeren Rängen die Eigenständigkeit der Liberalen zwischen Links und Rechts. Den Wechsel in die Regierung sieht er als Chance, die FDP dauerhaft als bürgerliches Korrektiv von Rot-Grün zu etablieren.

FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag im Stuttgarter Opernhaus.

FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag im Stuttgarter Opernhaus.

Foto: dpa/Uli Deck

FDP-Chef Christian Lindner hat eine Lieblingsanekdote mit zum traditionellen Dreikönigstreffen seiner Partei nach Stuttgart gebracht. Sie handelt vom amerikanischen Volkshelden John F. Kennedy. Der ehemalige US-Präsident habe einst den Weltraumbahnhof von Cape Canaveral in Florida besucht. Ein alter Mann habe dort in einem großen Hangar den Boden gebohnert. Kennedy habe den Mann gefragt, was er dort mache. „Einen Mann auf den Mond bringen, Mr. President“, habe der Alte dem Präsidenten geantwortet.

Der Mann habe sich als Teil eines großen Ganzen verstanden, schwärmt Lindner beim Dreiköningstreffen im Stuttgarter Opernhaus, das wie schon Anfang 2021 wegen der Corona-Pandemie auch dieses Mal digital und ohne Publikum stattfinden muss. „Das ist unser Verständnis von Respekt in einer vielfältigen Gesellschaft. Respekt, den wir meinen, bemisst sich nicht an Umverteilungsmargen, sondern an der Anerkennung des individuellen Beitrags“, sagt der Finanzminister.

Er nutzt diese kleine Geschichte, um die FDP abzugrenzen von anderen Parteien, in diesem Fall von der SPD, die das Wort vom „Respekt“ zu einem tragenden Pfeiler ihres Bundestagswahlkampfs gemacht hatte. Die Liberalen haben ihre Rolle gewechselt – sie sitzen nicht mehr in der Opposition, sondern in der Regierung. Es wird also nicht mehr angegriffen, sondern vor allem von Verantwortung und Zukunftshoffnung gesprochen. Die Regierungsrolle soll für die FDP nicht zu einer Falle werden – sondern im Gegenteil zum Ausgangspunkt einer noch erfolgreicheren Zeit. Für bürgerliche Wähler empfiehlt der Parteichef die FDP als derzeit einziges funktionierendes Korrektiv zu Rot-Grün.

„Auf ins Neue“ lautet das Motto dieses Dreikönigstreffens, und dieses Neue hat laut Lindner längst begonnen. So habe es in der Corona-Politik bereits einen „Strategiewechsel“ gegeben – hin zu mehr Freiheiten und Eigenverantwortlichkeiten, weg von Schulschließungen und Lockdowns. Zudem hätten die Parlamente jetzt wieder die Entscheidungshoheit und nicht mehr die Ministerpräsidenten, behauptet Lindner. Der Parteivorsitzende verteidigt die zwiegespaltene Haltung seiner Fraktion zur allgemeinen Impfpflcht, die er persönlich befürwortet: Unterschiedliche Abwägungen innerhalb einer Fraktion seien „nachvollziehbar“. Lindner freut sich über ein Lob der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die geschrieben habe, mit ihrer Nachdenkllichket erweise die FDP der Gesellschaft einen Dienst. Denn für oder gegen die Impfpflicht gebe es jeweils triftige Argumente.

Lindner findet gut, dass der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai künftig stärker die Gesellschaftspolitik in den Mittelpunkt rücken will. Hier haben die Liberalen aufzuholen, denn in den letzten 20 Jahren hatten sie sich stark auf die Steuer- und Finanzpolitik konzentriert. Lindner will zeigen, dass die Liberalen längst mehr sind als das: ein modernes Einwanderungsrecht wollten sie etwa schaffen, verbunden mit einem größeren Bemühen, unerwünschte Menschen auch wieder zurückzuführen. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger werde das „Aufstiegsversprechen“ der FDP durch Talentschmieden und andere neue bildungspolitische Instrumente einlösen. Nicht mehr das Elternhaus, sondern die eigenen Fähigkeiten sollten über eine persönliche Karriere entscheiden. Das von der Ampel geplante Bürgergeld anstelle von Hartz IV versteht Lindner als „große Chance für die Erneuerung des sozialen Aufstiegsversprechens“.

Klimaschutz sei kein Nischenthema mehr, sondern ein Wachstumsthema, glaubt Lindner. Wenn die Regierung hier das vorhandene private Kapital und Know-how mobilisieren könne, werde Deutschland in der Welt wettbewerbsfähiger sein. Wegen des Atom- und des Kohleausstiegs müsse es vorübergehend auf mehr Gaskraftwerke setzen, die später auf Wasserstoff umgerüstet würden. Lindner zeigt plötzlich auch seine soziale Ader: Wohngeld-Beziehern verspricht der Finanzminister wegen der stark gestiegenen Energiepreise einen einmaligen zusätzlichen Zuschuss des Bundes, der bereits am 26. Januar im Bundestag beschlossen werden soll.

Und dann kommt Lindner noch zu seinem eigenen neuen Amt, dem Finanzministerium. Die Neuverschuldung 2021 werde um mehr als zehn Milliarden Euro geringer ausfallen als die geplante Summe von 240 Milliarden Euro, trotz des jüngsten Verschiebens von 60 Milliarden Euro in einen Nachtragshaushalt für Zukunftsinvestitionen. Die FDP werde dafür sorgen, dass 2023 die Schuldenbremse „als Gebot der ökonomischen Klugheit“ wieder eingehalten wird. Und wieder freut sich der FDP-Chef über ein Zeitungslob: Das „Handelsblatt“ habe die FDP als „Gold im Depot“ bezeichnet, weil sie in der Ampelkoalition für bleibende Werte wie solide Finanzen stehe. „Wir sind aber nicht nur das Gold im Depot, sondern ich sehe uns als einen Wachstumswert, weil wir auch nach vorne gestalten wollen.“ Lindner und die FDP – sie sind nach dem gelungenen Rollenwechsel erkennbar mit sich im Reinen.

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