Ausbau der erneuerbaren Energien Ein konkretes Windkraft-Ziel und viele offene Fragen

Analyse | Berlin · Die Bundesregierung will den Ausbau grüner Energien massiv voranbringen. Dafür sollen künftig zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft reserviert werden. Doch ohne die Mitwirkung der Länder geht es nicht. Das Bewusstsein für den Ausbau wächst, umstrittene Abstandsregeln werden überdacht. Und doch bleiben offene Fragen.

Künftig sollen zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft ausgewiesen werden.

Künftig sollen zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft ausgewiesen werden.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Bundesregierung will den Ausbau der Windkraft in Deutschland in großem Stil ausweiten und beschleunigen. Dazu hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Ziel ausgegeben, künftig zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie auszuweisen. In Habecks Ministerium lässt man keinen Zweifel daran, dass man diese Flächen rasch brauche, damit der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien gelinge und die Klimaschutzziele erreicht würden. Doch der Weg dorthin ist weit. Bislang sind gerade einmal 0,8 Prozent der Landesfläche für die Windkraft reserviert. Davon sei aufgrund verschiedener Restriktionen nur ein Anteil von 0,5 Prozent nutzbar, heißt es aus dem Ministerium.

Klar ist: Man ist auf die Bundesländer angewiesen. Sie sind für die Ausweisung der Flächen zuständig. Bislang ist unklar, ob das Zwei-Prozent-Flächenziel pauschal auf die Länder ausgerollt werden soll oder ob es mögliche Vereinbarungen zwischen Ländern geben könne, nach dem Motto: Wenn der eine mehr ausbaut, muss der andere weniger beitragen. Mögliche Kriterien könnten etwa die geografische Eignung oder das regionale Windaufkommen sein.

Das Gremium, in dem die Diskussionen zwischen Bund und Ländern stattfinden, ist der Kooperationsausschuss. Aus dem schleswig-holsteinischen Energieministerium ist zu hören, dass es dort Widerstand gegen pauschale Flächenziele für alle Länder gebe. Im Kooperationsausschuss zeichne sich ab, „dass die Mehrheit der Länder gegen eine Gleichverteilung ist“, sagte Energiewende-Staatssekretär Tobias Goldschmidt unserer Redaktion. Schleswig-Holstein spricht sich dabei für einen „potenzialorientierten Verteilungsschlüssel“ aus. „Grundsätzlich sind alle Länder gefordert, ihre Potenziale zu nutzen, aber Länder mit guten Flächen und Windpotenzialen sollten mehr beitragen als andere“, so Goldschmidt. Im Gegenzug erwartet man jedoch, dass Bund und Länder diese Mehrleistung anerkennen. Goldschmidt fordret eine Art nationalen Energiewendekonsens: Eine faire Netzentgeltreform müsse umgesetzt und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Ansiedlung energieintensiver Unternehmen energiewirtschaftlich verbessert werden. Ob es zu derartigen Regelungen kommt, ist noch offen.

Jedenfalls lässt sich feststellen, dass sich die Stimmung in den Ländern gewandelt hat. Der Krieg in der Ukraine und die Probleme durch die massive Energieabhängig von dem Aggressor Russland haben das Bewusstsein für die Energiewende geschärft. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) betont die gemeinsame Aufgabe beim Windkraft-Ausbau. „Alle Länder mit Ausnahme der Stadtstaaten haben dafür die geografischen Voraussetzungen und müssen auch liefern“, sagte Kretschmer unserer Redaktion. Dabei schloss er explizit auch Bayern mit ein, wo die bundesweit strengste Abstandsregelung für Windräder gilt. Kretschmer brachte es auf die einfache Formel: „Bayern ist auch groß.“

Die umstrittene bayerische 10H-Regelung sieht vor, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss. Wirtschaftsminister Habeck lässt keinen Zweifel daran, dass er den Windkraft-Ausbau in Bayern durch 10H blockiert sieht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält bisher an der Regelung fest, stellte aber jüngst eine Reform in Aussicht. „Wir wollen mehr Wind. Ich glaube, dass wir die zwei Prozent schaffen können mit einer Reform von 10H“,sagte Söder vor gut einer Woche. Er halte die allerdings in der Praxis für eine wenig aussagekräftige Zahl und sie sage über die Realität der Energiegewinnung wenig aus. Immerhin, Söder will „deutliche Ausnahmen“ von 10H schaffen mit dem Ziel „500 plus x Windräder“ für Bayern zu erreichen.

Auch Sachsen will mehr beitragen und den Ausbau der Erneuerbaren voranbringen – ein neues Energie- und Klimaprogramm soll dazu beitragen. Laut Ministerpräsident Kretschmer würden damit auch neue Flächen wie etwa Wäldern erschlossen werden. „Das ist ein ganz bewusstes Bekenntnis für mehr Windkraft. Das sollte Schule machen“, wirbt der CDU-Politiker.

Im windreichen Schleswig-Holstein hat man das Zwei-Prozent-Ziel bereits überfüllt – und man unterstützt die Bundesregierung darin, bundesweit ein Flächenziel festzuschreiben. „Nur so kann es gelingen alle Länder mit in die Verantwortung für die Versorgungssicherheit zu nehmen. Energiesicherheit ist eine nationale Aufgabe, der sich kein Bundesland entziehen darf“, sagte Energiewende-Staatssekretär Goldschmidt. Er spricht sich dafür aus, über die zwei Prozent hinaus weitere Flächen in Schleswig-Holstein für die Windkraft auszuweisen. Doch das ist Sache der neuen Landesregierung, bereits am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein. Goldschmidt gilt als potenzieller Nachfolger für den amitierenden grünen Energieminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) – doch das hängt auch vom Ausgang der Wahl ab.

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