Bundesparteitag der Liberalen FDP zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Meinung | Berlin · Der Ukraine-Krieg bedeutet für die FDP, dass sie manchen hehren Grundsatz des Koalitionsvertrags aufgeben muss, vor allem in der Finanzpolitik. Parteichef Lindner hat aber Glück, dass jetzt auch Kanzler Scholz ebenso wie die überwältigende Mehrheit der FDP-Delegierten der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine zustimmt.

FDP-Chef Christian Lindner war am Samstag digital aus Washington zugeschaltet, wo er sich wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne befand.

FDP-Chef Christian Lindner war am Samstag digital aus Washington zugeschaltet, wo er sich wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne befand.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Dass Partei-Chef Lindner wegen seiner Corona-Infektion an diesem Wochenende nicht bei den Delegierten des FDP-Parteitags in Berlin sein konnte, sondern in der Washingtoner Quarantäne ausharrte, war sicher nicht gut für das Befinden bei den Liberalen. Denn schon vier Monate nach dem Ampel-Start ist klar, dass die FDP manchen hehren Grundsatz, mit denen sie in die Regierung gegangen war, nicht wird halten können. Der Finanzminister musste wegen des Ukraine-Kriegs die Neuverschuldung in eine neue rekordverdächtige Höhe schrauben, dabei war das Schuldenmachen nicht der Wunsch der Liberalen. Vielmehr sollte und wollte Lindner das ordnungspolitische Gewissen der Regierung sein, und das hätte bedeutet, den Haushalt zu konsolidieren statt ihn aufzupumpen. Davon ist Lindner meilenweit entfernt, in Berlin hätte er dafür besser um Verständnis werben können. Wie er vom Schuldenberg wieder herunterkommen und die Schuldenbremse 2023 wieder einhalten will, ist ein Rätsel. Die Regierung wird absehbar einen neuen Grund suchen, die Schuldenbremse ein weiteres Jahr auszusetzen – und Lindner wird auch das dann vor seiner Partei rechtfertigen.

Der FDP-Vorsitzende kann auch von Glück sagen, dass Kanzler Scholz nach wochenlangem Zögern nun doch umgeschwenkt ist und der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine durch einen Ringtausch mit osteuropäischen Staaten zustimmt. Denn die Liberalen, angeführt von der eloquenten Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann, wollten Scholz Beine machen, davon zeugt ein Dringlichkeitsantrag für die Lieferung schwerer Waffen, den der Parteitag mit überwältigender Mehrheit gebilligt hat. Nur weil Scholz rechtzeitig eingelenkt hat, konnte Lindner dem Kanzler einerseits Loyalität schwören und sich gleichzeitig hinter den Antrag seiner Partei stellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort