Bundesparteitag FDP-Führung männlich und westlich geprägt

Analyse | Berlin · Die Freien Demokraten fremdeln weiterhin mit Frauen. Zumindest im obersten Gremium, dem Präsidium, kommen die Liberalen auch nach den Wahlen beim jüngsten Bundesparteitag mit Frauen in Spitzenämtern nicht voran. Erst in der zweiten Reihe der Führung kommen mehr liberale Frauen vor.

Vier Präsidiumsmitglieder, vier Männer aus dem Westen, verfolgen den Parteitag: Volker Wissing, Joachim Stamp, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki (von links).

Vier Präsidiumsmitglieder, vier Männer aus dem Westen, verfolgen den Parteitag: Volker Wissing, Joachim Stamp, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki (von links).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Sie waren auch schon mal weiter. Jedenfalls bei den zentralen Gesichtern der deutschen Liberalen. Vor zwei Jahren ging die FDP mit zwei Frauen als stellvertretenden Vorsitzenden (Nicola Beer und Katja Suding) und einer Generalsekretärin (Linda Teuteberg) aus dem Parteitag hervor. Nach diesem Parteitag ist davon einzig Nicola Beer übrig geblieben. Der Rückschritt ist unterm Strich jedoch nicht wahrnehmbar, wenn die wichtigsten neun Präsidiumsplätze, die das operative Geschäft der Partei verantworten, zusammengenommen werden. Da hat zwar Johannes Vogel die ausscheidende Katja Suding ersetzt, doch es bleibt in der Männer-Frauen-Verteilung bei 6:3.

Das kam durch die Nachwahlen vor einem Jahr zustande. Da hatte sich Parteichef Christian Lindner zwar entschieden, Generalsekretärin Linda Teuteberg durch Volker Wissing zu ersetzen. Doch zugleich war im Präsidium Lydia Hüskens aus Sachsen-Anhalt an die Stelle von Frank Sitta getreten. Und auf den Beisitzerposten nimmt nun Bettina Stark-Watzinger den Platz ein, den vor zwei Jahren noch Volker Wissing bekam.

Klar war das Votum für Christian Lindner als Vorsitzender mit 93 Prozent. Auch Wolfgang Kubicki als sein erster Stellvertreter konnte sich über 88 Prozent freuen. Nur auf 61 Prozent kam Nicola Beer bei ihrer Wiederwahl als Vizevorsitzende. Die Premiere als neuer Vize meisterte Johannes Vogel dagegen mit 79 Prozent. Der einstmals prominente sozialdemokratische Unternehmer Harald Christ aus Rheinland-Pfalz sitzt nach seinem Parteiwechsel nun bei der FDP als Schatzmeister fest im Sattel: Er bekam 86 Prozent. Bei den Beisitzer-Wahlen zum Präsidium erhielt Michael Theurer 68 Prozent, Bettina Stark-Watzinger 91 Prozent und Lydia Hüskens 89. Stark-Watzinger, die hessische Landesvorsitzende, setzt sich damit an der Spitze der FDP mit großem Rückhalt fest. Viele gehen davon aus, dass sie gute Chancen auf einen Kabinettsposten in der nächsten Bundesregierung hat, wenn die FDP mitmischen kann.

Bei den übrigen Vorstandswahlen kamen die Frauen – leicht – voran. Für die erste Abteilung der Beisitzer im Vorstand kann jeder Landesverband einen Vorschlag unterbreiten. Über diese so genannte „Kurfürstenliste“ kamen vor zwei Jahren noch fünf Frauen in den Bundesvorstand, nun sind es sieben: Katja Hessel aus Bayern, Daniela Kluckert aus Berlin, Linda Teuteberg aus Brandenburg, Lencke Wischhusen aus Bremen, Sylvia Bruns aus Niedersachsen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus NRW und Daniela Schmitt aus Rheinland-Pfalz.

Bei den 18 weiteren Beisitzerposten, für die alle Delegierten mit Unterstützung jeweils über die sogenannte „Freie Wildbahn“ kandidieren können, blieb es bei sechs Frauen: Sandra Weeser aus Rheinland-Pfalz, Yvonne Gebauer aus NRW, Ria Schröder aus Hamburg, Maren Jasper-Winter aus Berlin, Judith Skudelny aus Baden-Württemberg und Gyde Jensen aus Schleswig-Holstein.

Das Ergebnis wird indes geschmälert durch die Ergänzung durch weitere Plätze im Präsidium und Vorstand, die an ständige Gäste und kooptierte Mitglieder vergeben werden. Das sind im Präsidium ausschließlich und im Vorstand überwiegend Männer. Somit ergibt sich ein Frauenanteil bei Präsidium und Vorstand in der täglichen Praxis von 28 Prozent. Das sind immerhin noch mehr als in der Mitgliedschaft, der 2019 noch 21,6 Prozent Frauen angehörten. Unter den Gewählten aus der „Freien Wildbahn“ waren es dieses Mal 33 und auf der „Kurfürstenliste“ sogar 44. Die FDP kann also auch anders.

Nur in der Fläche sieht es nach der ausdrücklichen Ablehnung jeglicher Quote noch düster aus. Ombudsmitglied Christopher Gohl, der den Auftrag hat, die Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse im Blick zu haben, berichtete von einer „ernüchternden“ Umsetzung des Projektes, den Frauenanteil mit Zielvereinbarungen zwischen Bundespartei und regionalen Gliederungen voranzubringen. „Hier müssen wir noch deutlich besser werden“, lautete seine Zusammenfassung.

Eine leichte Schieflage weisen die Liberalen zudem bei der Altersgliederung an der Spitze aus. Das Durchschnittsalter auf den neun Posten des operativen Präsidiums stieg im Vergleich zu den Wahlen vor zwei Jahren von 50,6 auf 51,7 Jahre, obwohl Hermann Otto Solms mit seinen jetzt 80 Jahren als Schatzmeister aufhörte.

Sehr auffällig ist ein Ost-Problem der Liberalen. Im Präsidium sitzt einzig Lydia Hüskens neben acht „Wessis“, im Vorstand kamen zwar fünf Liberale aus den Neuen Länder in das Führungsgremium über die Vorschläge der Landesverbände. Doch daneben kein einziger über die „Freie Wildbahn“, von Maren Jasper-Winter vom Landesverband Berlin mal abgesehen, aber die kommt ursprünglich auch aus Münster.

Das führt zu dem deutlichen Übergewicht der westdeutschen Landesverbände, allen voran Nordrhein-Westfalen. Schon im Präsidium ist nicht nur Parteichef Christian Lindner und sein Vize Johannes Vogel ein NRWler, sondern auch Marco Buschmann als Parlamentarischer Geschäftsführer und Joachim Stamp als Vize-Ministerpräsident. Genau genommen waren auch zwei weitere Liberale im Präsidium, die als Abgesandte der EU-Liberalen (Moritz Körner) und Bundesgeschäftsführer (Michael Zimmermann) an den Präsidiumssitzungen teilnehmen, zuvor im NRW-Landtag tätig.

Im Vorstand setzt sich die Überlegenheit fort: Neben den schon erwähnten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Yvonne Gebauer reden hier auch Christoph Rasche, Bijan Djir-Sarai, Jens Teutrine und Otto Fricke aus NRW mit. Und auch bei den zusätzlichen kooptierten Mitgliedern lohnt sich ein zweiter Blick. So sind auch der Vorsitzende der Liberalen Senioren, Detlef Parr, und der Chef der Liberalen Schwulen und Lesben, Michael Kauch, Politiker der NRW-FDP. Vier Rheinland-Pälzer und fünf Hessen verstärken den Eindruck einer westlichen Übermacht.

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