Genesenenstatus nur für drei Monate soll bleiben Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Wir haben Omikron-Welle unter Kontrolle“

Berlin · Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gibt einen „konservativen Kurs“ in der Corona-Politik vor: An der umstrittenen Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate und den Kontaktbeschränkungen will er vorerst festhalten. Doch Kritik kommt auch von Ärztevertretern, etwa dem Marburger Bund. Zudem schlägt der Städtetag Alarm wegen der Impfpflicht für Klinik- und Pflegepersonal.

Minister Karl Lauterbach (SPD, rechts) und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, am Freitag in Berlin.

Minister Karl Lauterbach (SPD, rechts) und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, am Freitag in Berlin.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will an der umstrittene Verkürzung des Genesenen-Status nach einer Corona-Infektion von sechs auf drei Monate festhalten und sieht auch noch keinen Anlass für Lockerungen der Kontaktbeschränkungen und anderer Corona-Maßnahmen. „Bei Omikron haben wir das Problem, dass derjenige, der sich an der Delta-Variante infiziert hatte, sich schon nach drei Monaten an Omikron infizieren kann“, sagte Lauterbach am Freitag. Der Genesenen-Status für sechs Monate sei mit Blick auf die nicht gebannte Infektions- und Ansteckungsgefahr „nicht sicher“, sagte Lauterbach.

Es habe zu dieser Entscheidung auch „keinen Dissens“ zwischen seinem Ministerium und dem Robert Koch-Institut (RKI) gegeben, bekräftigte Lauterbach. Das RKI hatte am 15. Januar überraschend den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzt und damit viele, darunter die Landesregierungen, überrascht. In anderen EU-Staaten gelten Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, für einen Zeitraum von sechs Monaten als genesen. Die Regel betrifft auch Menschen, die beispielsweise von einem EU-Land in ein anderes reisen wollen.

Die Unionsfraktion will nun mit einem umfassenden Fragenkatalog im Rahmen einer Kleinen Anfrage an Lauterbach klären, auf welcher Grundlage die Entscheidung getroffen wurde und ob das RKI im Alleingang gehandelt habe. Lauterbach räumte ein, dass es zwischen dem RKI und seinem Hause ein „Kommunikationsproblem“ gegeben habe. Das Ministerium und das RKI hätten die Entscheidung „auf Fachebene“ vorbereitet, aber er sei am Tag der Entscheidung in die neue Festlegung des RKI zum Genesenen-Status dann „nicht einbezogen“ gewesen, erklärte Lauterbach. In Zukunft werde man sich vorher „gemeinsam Gedanken machen“, wie eine solche Status-Änderung kommuniziert werden könne. „Wir haben die Kommunikationswege jetzt einvernehmlich verbessert.“

Ärztepräsident Klaus Reinhardt verteidigte die Verkürzung des Corona-Genesenenstatus auf drei Monate.  „Die bisherige wissenschaftliche Evidenz deutet darauf hin, dass sich Ungeimpfte nach einer durchgemachten Delta-Infektion schon deutlich früher als nach sechs Monaten mit der Omikron-Variante anstecken können“, sagte Reinhardt unserer Redaktion. „Deshalb ist die Verkürzung des Genesenenstatus aus medizinischer Sicht sinnvoll“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer.

Dagegen hielt die Präsidentin des Ärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna, die Drei-Monats-Regelung für dauerhaft nicht haltbar. „Ich glaube nicht, dass sich die 90-Tage-Regelung in Deutschland dauerhaft halten lässt“, sagte sie. Zwar sei es prinzipiell richtig, dass die Anzahl der Antikörper bei den meisten Menschen etwa 90 Tage nach einer Infektion absinke. „Das ist aber natürlich kein fester Stichtag und patientenindividuell sehr unterschiedlich. Es hängt auch davon ab, wie stark die Immunantwort auf die Infektion war. Insofern ist die europaweite Regelung (von sechs Monaten, d. Red.) durchaus vertretbar“, sagte Johna. „Das sollte durch Alleingänge nicht in Zweifel gezogen werden.“

Deutschland habe die Omikron-Welle nach Einschätzung „gut unter Kontrolle", sagte Lauterbach in Berlin. Dennoch rechne er damit, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf bis zu 400.000 steigen könnte. Es gehe jetzt vor allem darum, die älteren Ungeimpften so zu schützen, dass Erkrankte nicht auf der Intensivstation landeten. Dies sei vor allem deshalb wichtig, weil Deutschland eine vergleichsweise hohe Zahl an ungeimpften Älteren habe, viermal so viele wie England und dreimal so viele wie Italien. Deutschland fahre einen „konservativen Kurs“ in der Pandemie. Was andere Länder täten, etwa Dänemark, sei ihre Sache, so Lauterbach,

Lockerungen hält Lauterbach zum gegenwärtigen Zeitpunkt für falsch. Dies sei erst nach dem Höhepunkt der Omikron-Welle möglich. Man habe eine Lockerungsperspektive für die zweite Februar-Hälfte oder Anfang März. Das sei möglich, wenn die Omikron-Welle mit wenigen schweren Krankheitsfällen weiter unter Kontrolle bleibe. Zugleich kündigte der Minister eine neue Testverordnung in Zusammenarbeit mit den Ländern für nächste Woche an. Die PCR-Tests würden danach vorrangig für zwei Gruppen reserviert: das Pflegepersonal und Risikopatienten wie alte Menschen.

Städtetagspräsident Markus Lewe rief Bund und Länder dazu auf, offene Fragen zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sofort zu klären, die ab 15. März gelten wird. „Wir halten die Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht ganz klar für richtig. Sie wird aber nur Wirkung entfalten, wenn Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Behörden klar erkennen können, in welchen Fällen Ungeimpfte ihre Tätigkeit nach dem 15. März nicht mehr ausüben dürfen und welche Ausnahmen es gibt“, sagte Lewe unserer Redaktion. „Hier stochern im Moment alle im Nebel“, sagte Lewe.  „So, wie es ist, wird das Gesetz ins Leere laufen. Denn die Gesundheitsämter bekommen nun abertausende Fälle wegen nicht nachgewiesener Impfungen gemeldet, denen sie einzeln nachgehen sollen“, kritisierte Lewe.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort