Wirtschaftsminister auf NRW-Besuch FEA – Habeck  in NRW

Analyse | Berlin · Die vierte Station seiner Ländertour führt Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Nordrhein-Westfalen. Eigentlich gäbe ist dem wirtschaftsstarken Flächenland viel zur Energiewende und zum Umbau der Industrie zu besprechen. Doch Habecks Besuch wird überschattet von einem drohnenden Krieg in Europa, der schwere wirtschaftliche Folgen auch für Deutschland hätte. Welche Signale sendet der Minister unter Druck?

 Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, am Dienstag bei seinem NRW-Besuch mit Thyssen-Chefin Martina Merz.

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, am Dienstag bei seinem NRW-Besuch mit Thyssen-Chefin Martina Merz.

Foto: dpa/Oliver Berg

Es ist ein Tag der Gleichzeitigkeiten. Weit im Westen der Republik versucht Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Mitstreiter für die riesige Aufgabe der Transformation von Industrie und Wirtschaft zu gewinnen. Weit im Osten der Ukraine, in den selbst ernannten „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk, lässt Russlands Präsident Wladimir Putin weitere Streitkräfte aufmarschieren, nachdem er zuvor die Separatistengebiete als unabhängig anerkannt hat. Rund 2600 Kilometer liegen zwischen Düsseldorf und dem Donbass. Doch Putins gefährliches Spiel mit dem Frieden in Europa lassen die Lage in der Ostukraine an diesem Tag ganz nah rücken. Habecks Besuch in Nordrhein-Westfalen wird überschattet von der Kriegsgefahr.

Habeck will diesem Schatten nicht allen Raum überlassen. Und so kommt er beim gemeinsamen Auftritt mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zuerst auf das zu sprechen, was seine Amtszeit als Wirtschafts- und Klimaschutzminister am allmeisten dominieren wird: der Umbau hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Habeck wendet sich gegen all diejenigen, die den Klimaschutz im Wahlkämpfen gerne beschwören, um ihn danach „immer wieder gerne schnell vergessen und manchmal diskreditiert“ zu werden. Er lässt offen, wen er mit seiner Kritik meint, ob sie sich auch an die Partei seines Gastgebers Wüst richtet. Das bleibt im Vagen. Stattdessen betont Habeck lieber die wirtschaftlichen und industriellen Chancen, die mit dem Klimaschutz einhergehen. Um all das sei es in dem knapp einstündigen Gespräch mit Wüst an diesem Dienstagvormittag gegangen, es war ihre erste persönliche Begegnung.

Und dann ist Habeck doch ganz schnell bei dem beherrschenden Thema des Tages, der Schatten holt ihn ein. Er spricht von „geostrategischer Unabhängigkeit und Souveränität“, um die es beim Klimaschutz eben auch gehe. „Je mehr wir in der Lage sind, Energie in Deutschland selbst zu produzieren und nicht von Importen abhängig zu sein, umso souveräner können wir auch außen- und sicherheitspolitisch agieren“, sagt Habeck. In diesem Moment spricht auch der Vizekanzler aus ihm, der die großen Linien zieht und die großen Zusammenhänge erklärt. Und dann schiebt Habeck einen  kleinen Nachsatz hinterher, in dem doch seine aktuelle Verfasstheit durchschimmert. „Wer das nicht sieht, nimmt die Wirklichkeit nicht zur Kenntnis.“ An wen richtet sich diese vorauseilende Kritik? Es ist wieder so eine spitze Bemerkung, die Habeck nicht klar adressiert. Er wehrt Gegenwind ab, ehe er ihm entgegenbläst. Er sichert sich ab, rechtfertigt seinen großen Veränderungsdrang, ehe er in Frage gestellt wird. Der Minister weiß, dass er mit der massiven Transformation nicht nur auf Begeisterung stoßen wird. Protest ist vorprogrammiert. Der Druck durch akuten Konflikt in der Ostukraine, der auch für Deutschland wirtschaftliche Konsequenzen haben kann, tut da sein Übriges. Habeck wirkt angespannt.

Der unverstellte Blick auf die Wirklichkeit – um den geht es an diesem Tag auch an anderer Stelle. Noch bevor Habeck und Wüst gemeinsam vor die Presse treten, macht bereits die Meldung die Runde, dass die Bundesregierung die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 auf Eis legt. Sein Ministerium habe der ihm unterstellten Bundesnetzagentur mitgeteilt, „dass der Versorgungssicherheitsbericht, der ein Teil der Genehmigung von Nord Stream 2 ist, zurückgezogen wird“, erklärt der Minister in Düsseldorf. Dieser Schritt sei in den letzten Wochen und Monaten akribisch vorbereitet worden. „Wenn sich die Realität ändert, muss sich auch die Beurteilung der Realität ändern“, sagt der Grünen-Politiker. „Wir werden diesen Winter so schnell nicht vergessen.“ Er werde energiepolitisch, geopolitisch und strategisch Konsequenzen haben, auch auf die Arbeit seines Ministeriums. Habeck ist sich wohl bewusst, dass dies seine Arbeit nicht erleichtern wird.

Grauer Himmel über Duisburg, Wind und Regen. Trotz der ungemütlichen Umstände will Habeck zumindest bei seinem Besuch des Stahlwerks von Thyssenkrupp nach vorne blicken. Klimaneutral hergestellte Stahl sei das „Geschäftsmodell der Zukunft“, sagt er. Der Minister informiert sich bei der Werksbegehen über die Transformationsfortschritte hier in Duisburg, etwa den Bau eines wasserstoffbasierten Hochofens. Und es fehlt nicht an Superlativen. „Die Umstellung auf die klimaneutrale Stahlproduktion ist der größte Umbau unseres Werks und der vielleicht wichtigste Schritt unserer Geschichte“, sagt Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg. Dabei setzt das Unternehmen auch auf staatliche Unterstützung, sowohl bei der Anschubfinanzierung zum Anlagenbau als auch bei den Betriebskosten. Habeck sichert diese Unterstützung auch zu, etwa durch Förderung von Investitionskosten und durch sogenannten Klimaschutzdifferenzverträgen, mit denen die anfänglichen Mehrkosten der klimafreundlichen Produktion ausgeglichen werden und so der grüne Stahl wettbewerbsfähig gemacht werden sollen. Schließlich ist er überzeugt, dass die Stahlbranche „zum Aushängeschild der klimaneutralen Wirtschaft“ werden könne, sagt Habeck. Zumindest bei dieser Station will er den Schatten dieses Tages für einen Moment abschütteln.

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