Verfassungsschutz Seehofer soll Gutachten zur AfD abgeschwächt haben

Berlin · In einer Beurteilung der AfD soll der Verfassungsschutz deutliche Kritik an der Partei formuliert haben. Doch Ex-Innenminister Horst Seehofer soll dafür gesorgt haben, dass dem Gutachten die Schärfe genommen wird. Die Sache ist brisant, denn es geht auch um die Einstufung der gesamten AfD als Rechtsextremismus-Verdachtsfall.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (l, CSU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang

Bundesinnenminister Horst Seehofer (l, CSU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) soll auf ein Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD eingewirkt und die Beurteilung der Partei abgeschwächt haben. Das geht aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hervor, der sich auf interne Dokumente beruft. Die Sache ist brisant, da es in dem Gutachten auch um die Frage ging, ob die Gesamtpartei als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft und die Beobachtung aufgenommen wird.

Es soll dem Bericht zufolge zwei Versionen des Gutachtens gegeben haben. Die zweite Version soll nach einem geheimen Treffen Seehofers mit Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang im Januar 2021 entstanden sein. Seehofer soll eine Überarbeitung des Gutachtens veranlasst haben, daraufhin sollen die Kritik an bestimmten AfD-Aussagen deutlich abgemildert worden sein.

Die nachträglich geänderte Bewertung betrifft etwa den AfD-Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Der Verfassungsschutz wollte die Thüringer AfD dafür kritisieren, mit der Aussage eine Grenze zu überschreiten und die Menschenwürde von Muslimen zu verletzen. Nach Seehofers Einwirken soll die Kritik in dem Gutachten deutlich zurückhaltender formuliert worden sein. Seehofer hatte 2018, damals noch CSU-Chef, selbst gesagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Ein ähnliches Einwirken gab es laut SZ-Bericht bei einer Passage über die migrationsfeindliche Politik der AfD und deren Ablehnung gegenüber Zuwanderern. Auch hier soll die Bewertung abgeschwächt worden sein.

Von den Grünen kam deutliche Kritik an der mutmaßlichen Einflussnahme Seehofers. „Bezüglich der Bewertung der Verfassungsfeindlichkeit von Personen, Gruppen oder Parteien bestellt nicht die Politik die Musik“, sagte Konstantin von Notz, Vizevorsitzender der Grünen-Fraktion sowie des Parlamentarischen Kontrollgremiums, unserer Redaktion. Es liege bei den Sicherheitsbehörden, diese Bewertung nach gesetzlichen und objektiven Kriterien vorzunehmen. „Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte verbietet sich eine Einflussnahme von politischer Seite - egal in welche Richtung“, sagte von Notz. Er kündigte an, die Angelegenheit parlamentarisch aufzuklären, sollte sich die Einflussnahme bewahrheiten.

Aus der CSU hingegen kam Rückdeckung für den früheren Innenminister. „Der implizierte Vorwurf, Horst Seehofer habe die AfD verharmlost, ist völlig absurd. Das genaue Gegenteil ist doch der Fall“, sagte die Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), unserer Redaktion. Während Seehofers Amtszeit seien die Junge Alternative und der Flügel zu Beobachtungsobjekten erklärt sowie diverse Vereinsverbote erlassen worden. „In Seehofers Amtszeit hat der Verfassungsschutz die Grundlagen gesammelt, damit die gesamte AfD zum Verdachtsfall erklärt werden kann“, so Lindholz. 

Der Verfassungsschutz soll laut Medienberichten inzwischen neue Belege für eine weitere Radikalisierung der AfD vorgelegt haben. Ein Schriftsatz, wonach die  Einstufung der Gesamtpartei als Verdachtsfall rechtmäßig sei, soll an das Verwaltungsgericht Köln übergeben worden sein. Das Gericht soll darüber entscheiden, ob diese Einstufung juristisch Bestand hat.

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