Impflicht- Diskussion beim Bundespräsidenten Gesprächsangebot mit Risiken und Nebenwirkungen

Berlin · Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud ins Bundespräsidialamt zu einer Diskussion über die geplante Impfpflicht. Geladen waren auch zwei Impfskeptiker. Die Diskussion war keine einfache.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) diskutiert mit Gästen im Schloss Bellevue, sowie digital zugeschalteten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, über das Für und Wider einer Impfpflicht. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) diskutiert mit Gästen im Schloss Bellevue, sowie digital zugeschalteten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, über das Für und Wider einer Impfpflicht. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

„Respektvoll streiten“, lautete die Idee des Bundespräsidenten. Respektvoll über das Thema diskutieren, welches gerade Politik und Gesellschaft umtreibt: Die geplante Impfpflicht. Dazu hatte das Bundespräsidialamt Menschen eingeladen, die mit dem Thema zu tun haben: Einen Lehrer und die Leiterin eines Seniorenheims aus Berlin, eine Krankenschwester der Uniklinik Köln sowie Kay Nagel, Professor und Ersteller von Modellen zur Ausbreitung des Corona-Virus. Außerdem die Erfurter Professorin  für Gesundheitskommunikation, Cornelia Betsch, sowie eine Lehrerin aus Baden-Württemberg, Gudrun Gessert, und einen Mittelständler aus Bamberg, Oliver Foeth. Die beiden letztgenannten hatten sich in Briefen an den Bundespräsidenten zu ihrer Impfskepsis geäußert.

Steinmeier selbst schickte der Diskussion voran, dass er selbst  in der Frage einer Impfpflicht keine Position einnehmen wolle.  „Das gebietet schon der Respekt vor dem politischen Prozess, der in den kommenden Wochen zur parlamentarischen Entscheidung über ein Gesetz führen soll, das ein Bundespräsident schließlich zu prüfen und über dessen Ausfertigung er zu entscheiden hat“

Er  wehrte sich allerdings explizit gegen Unterstellungen: „Es gibt Menschen, die sagen: Wir haben in Deutschland eine 'Corona-Diktatur'“, sagte der Bundespräsident - und fügte hinzu: „Das ist bösartiger Unfug". In einer solchen Behauptung stecke „nicht nur Verachtung für unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen - sondern darin steckt eine Beleidigung von uns allen“.

Die beiden Impfskeptiker legten in der Debatte Wert darauf, dass sie keine Corona-Leugner seien. „Ich habe aber kein Vertrauen in die Impfkampagne", sagte die Lehrerin Gessert. Das Versprechen, dass eine doppelte Impfung gegen Corona schütze, habe sich nicht erfüllt.

Steinmeier versuchte, die Vorbehalte der Impfskeptiker vor allem mit Verweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu kontern und mahnte, die Impfpflicht-Debatte immer „mit Respekt vor Fakten und Vernunft" zu führen.

Leider aber war in der Runde kein Mediziner oder Epidemiologe vertreten, der fundiert wissenschaftlich hätte dagegen halten können. Gessert führte immer wieder Vorbehalte gegen die Impfung an, unterlegte das mit vermeintlichen wissenschaftlichen Belegen zu Risiken und Nebenwirkungen,die keiner in der Runde  fundiert überprüfen konnte.

Zeitweise drohte die Diskussion deshalb zu kippen. Während Gessert sehr viel Redezeit erhielt und Foeth eine vorgefertigte Erklärung ablesen durfte, kamen die Menschen, die in ihrem Alltag mit der Erkrankung in Kliniken, Seniorenheimen und Schulen zu tun haben, deutlich weniger zu Wort.Steinmeier räusperte sich teilweise vernehmlich, unterbrach den Redefluss der Impfskeptikerin aber kaum.

Die Mehrheit der Geimpften saß lange recht schweigend da. Die Erfurter Professorin brachte es dann ganz gut auf den Punkt und sprach die Solidarität in der Gesellschaft an: Ein Nicht-Geimpferter setze in seiner persönlichen Risikoabwägung darauf, dass er im Fall einer Infektion ins Krankenhaus gehe und optimal behandelt werde - und dann möglicherweise für andere mit Routineoperationen kein Platz mehr frei ist. Sie sprach offen an, dass „ich mir jemanden mit Fachkompetenz wünsche“, der die Behauptungen in der Diskussion einem  „Faktencheck“ unterziehe.

Auch Professor Nagel sagte: Für die Debatte zur Impfpflicht sei es wichtig, „wie hoch wir diesen Solidaraspekt gewichten".

Die Berliner Leiterin des Seniorenheims sprach es dann am Ende am klarsten aus. Die Situation während der ersten Corona-Wellen vor der Impfung sei grauenvoll gewesen, viele seien gestorben, „es war eine ganz schreckliche Situation“, besonders auch durch das Besuchs-und Kontaktverbot. Die Impfung habe bewirkt, dass man so gut wie keine Probleme mehr habe, Besuche wieder stattfinden könnten und auch das Personal mit dem Impfen keine Probleme habe. Es habe auch niemand aufgrund der bevorstehenden Impfpflicht für medizinisches Personal gekündigt. Gleiches berichtete die Krankenschwester aus Köln.

Am Ende der zweistündigen Diskussion sprach Voeth davon, dass diese Information für ihn neu gewesen sein, er habe mit vielen gerechnet, die ihren Beruf verlassen würden - das sei aber offenbar  nicht der Fall. Alle Teilnehmer bedankten sich für die offene und respektvolle Diskussion - von Argumenten für die Impfpflicht und die Impfung generell hätte man allerdings gerne mehr gehört.

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