Kanzler unter Druck In SPD-Probleme verstrickt

Meinung | Berlin · Der Kanzler kommt wegen seines Kurses bei den Waffenlieferungen an die Ukraine nicht aus der Kritik. Es gelingt Olaf Scholz (SPD) nicht, seine Linie klar und eingängig zu vermitteln und Vorgehalte einzuhegen. Dahinter steht auch ein anderes Problem: Scholz‘ eigene Partei.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht wegen seiner Linie bei den Waffenlieferungen weiter massiv in der Kritik.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht wegen seiner Linie bei den Waffenlieferungen weiter massiv in der Kritik.

Foto: dpa/Lisi Niesner

Die zaudernde Kommunikation des Kanzlers zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Reaktion auf die russische Brutalität in der Ukraine. Genau genommen fing es vor Kriegsbeginn an. Olaf Scholz (SPD) stellte Nord Stream 2 lange als privatwirtschaftliches Projekt dar und zögerte den Stopp solange hinaus, bis der politische Druck ihn dazu zwang. Ähnlich schwer tat sich Scholz nach Kriegsausbruch damit, den russischen Präsidenten Putin einen Kriegsverbrecher zu nennen. Putins Gräueltaten mussten immer unmenschlicher werden, ehe der Kanzler klare Worte fand. Und nun das Herumgestolpere bei den Waffenlieferungen an die Ukraine. In verklausulierten Worten erklärte der Kanzler in dieser Woche, wie Deutschland seine Rüstungshilfe ausbauen will. So gelingt es Scholz nicht, die Vorbehalte in der eigenen Koalition, der Opposition und ja, auch auf der ganzen Welt einzuhegen – auch wenn die Linie der Bundesregierung durchaus begründbar ist.

Wenn es stimmt, was der Kanzler und seine Partei sagen (und davon sollte man ausgehen, ehe das Gegenteil nicht bewiesen ist), dass die Bundeswehr nicht mehr Waffen aus eigenen Beständen liefern kann, ist es richtig, andere Wege zu finden. Ein Mittel der Wahl ist die Bereitstellung weitere Militärgüter durch die Rüstungsindustrie, eine zweites sind Lieferungen über einen Ringtausch: Andere Partnerländer geben sofort einsetzbares Gerät an die Ukraine ab und Deutschland schiebt in diese Länder Ersatz nach. Über die Frage, ob deutsche Panzerbestände unmittelbar in der Ukraine einsetzbar wären oder ukrainische Soldaten erst speziell ausgebildet werden müssten, kursieren unterschiedliche Ansichten. Deutschland muss sich jedenfalls den Vorwurf nicht zu eigen machen, die Ukraine im Stich zu lassen. Während seine Kritiker den Kanzler immer schärfer attackieren, gelingt es Scholz nicht, seine Linie klar und eingängig zu vermitteln. Der Kanzler bekommt es nicht aufs Parkett.

Dahinter verbirgt sich ein anderes Problem. Denn neben der angespannten Sicherheitslage sitzen dem Kanzler die Verstrickungen der eigenen Partei im Nacken. Bundespräsident Steinmeier steht wegen seiner früheren Russland-Politik massiv unter Druck, der täglich vom ukrainischen Botschafter Melnyk weiter erhöht wird. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Schwesig gerät wegen ihres langen Festhaltens an Nord Stream 2 in Erklärungsnot. Und quasi als Beweis des äußeren Gegenwinds und der inneren Fliehkräfte ruft SPD-Fraktionschef Mützenich nun die eigenen Abgeordneten dazu auf, weiter eng zusammenzustehen, und weist die koalitionsinternen Kritiker in die Schranken. Die SPD ist in schweres Fahrwasser geraten. Doch angesichts der Lage in der Ukraine dürfen Parteiprobleme jetzt nicht entschlossenes Handeln hemmen. Es muss darum gehen, die Ukraine in die Lage zu versetzen, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen. Ausgerechnet die Kanzlerpartei ist in dieser schwierigen Zeit der schwächste Part in der Regierung. Der Kanzler konnte es bisher nicht richten.

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