4,1 Prozent Teuerung im September Wie das Thema Inflation die Koalitionsverhandlungen beeinflussen kann

Analyse · Die Nachricht vom Anziehen der Inflation platzte in dieser Woche in die Vorbereitungen der Parteien für Koalitionsverhandlungen. Finanzpolitiker von Grünen und FDP stellen bereits Zusammenhänge her – die einen wollen mehr Schulden machen, die anderen warnen vor Inflationsängsten in der Bevölkerung.

 Grünen-Chef Robert Habeck (Mitte), Co-Vorsitzende Annalena Baerbock und FDP-Chef Christian Lindner trafen sich am Freitag zu einer zweiten Sondierungsrunde nach der Bundestagswahl.

Grünen-Chef Robert Habeck (Mitte), Co-Vorsitzende Annalena Baerbock und FDP-Chef Christian Lindner trafen sich am Freitag zu einer zweiten Sondierungsrunde nach der Bundestagswahl.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Inflationsrate ist im September nach einer ersten Schätzung erstmals seit 28 Jahren wieder über die Vier-Prozent-Marke gestiegen – und auch in den kommenden Monaten ist mit einem Nachlassen der Preisdynamik noch nicht zu rechnen. Die Nachricht vom Anziehen der Inflation platzte in dieser Woche mitten in die Sondierungsphase der Parteien nach der Bundestagswahl. Ein Inflationsszenario könnte vor allem den Grünen in die Hände spielen, die n den Gesprächen auf mehr kreditfinanzierte staatliche Investitionen drängen und dafür die Schuldenbremse reformieren wollen. Auch in der SPD sind viele offen dafür, FDP und Union dagegen wollen möglichst bald zurück zu ausgeglichenen Haushalten.

Die Aufwärtsdynamik bei den Preisen dürfte zwar im kommenden Jahr wieder nachlassen. Dafür spricht vor allem ein statistischer Basiseffekt: Die monatlichen Inflationsraten fallen momentan so hoich aus, weil die Regierung im zweiten Halbjahr 2020 die Mehrwertsteuer vorübergehend gesenkt hatte. Im Vergleich zu den Monatsraten vor einem Jahr schießen die aktuellen Raten daher in die Höhe. Doch Ökonomen bezweifeln zunehmend, dass im kommenden Jahr wieder Inflationsraten wie vor der Corona-Krise zu erwarten sind. Vor allem die stark anziehenden Energiepreise sprechen derzeit für höhere Inflationsraten bei drei Prozent.

Der Zusammenhang zwischen Inflation und Staatsverschuldung sieht so aus: Berücksichtigt man den Kaufkraftverlust der Schulden durch die Inflation, muss der Staat am Ende weniger zurückzahlen als er erhalten hat. Deshalb spricht man auch davon, dass sich ein Staat aus seinen Schulden „heraus inflationieren“ kann. Durch Inflation legt auch das so genannte nominale Bruttoinlandsprodukt zu. Allein das lässt die Schuldenquote, das Verhältnis zwischen Schulden und Wirtschaftsleistung sinken, auch wenn die Wirtschaft real gar nicht stark wächst.

Mit diesem Zusammenhang wollen Finanzpolitiker aktuell aber nicht argumentieren. Sie verweisen lieber auf die aktuell nach wie vor extrem niedrigen Zinsen. „Deutschland kann sich weiterhin zu extrem günstigen Konditionen Geld leihen“, sagte etwa der Europa-Parlamentarier Sven Giegold, Mitglied des zehnköpfigen Sondierungsteams der Grünen. „Ich rechne damit, dass die momentanen Ausschläge bei der Inflation ein vorübergehendes Phänomen sind, die niedrigen Zinsen Deutschland aber noch längere Zeit erhalten bleiben. In dieser Situation entspricht es der ökonomischen Vernunft, Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Alles andere wäre fahrlässig gegenüber den kommenden Generationen“, sagte Giegold.

Die neue Bundesregierung dürfe nicht durch ein Aufweichen der Schuldenbremse Inflationsängste in der Bevölkerung schüren, auch wenn diese Ängste momentan ungerechtfertigt seien, hieß es in der FDP. Haushaltssprecher Otto Fricke erklärte: „Auch wenn die hohe Inflation zu Teilen eine technische Reaktion auf die abklingende Krise ist, muss in den kommenden Koalitionsverhandlungen verhindert werden, dass zusätzliche Verunsicherungen beim Thema Inflation entstehen. Andernfalls kann sich daraus schnell eine selbst verstärkende Preisspirale bilden.“ Von der EZB erwarte er hier nicht zu viel, dafür habe sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde schon zu sehr öffentlich festgelegt. „Gerade deshalb müssen alle Beteiligten aufmerksam sein und auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien drängen. Wir sollten uns gegenwärtig vor Inflation nicht fürchten, aber wir müssen die Sorgen der Menschen hierbei Ernst nehmen“, sagte Fricke.

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