Mehr Corona-Fälle Intensivmediziner lehnen Debatte um Freedom Day ab

Berlin · Angesichts steigender Infektionszahlen haben Mediziner auf eine zunehmende Belastung der Krankenhäuser hingewiesen. Die Bundesregierung rief die Bevölkerung auf, das Angebot von Auffrischungsimpfungen wahrzunehmen.

Eine Intensivpflegerin versorgt auf der Intensivstation am Klinikum Braunschweig einen an Covid-19 erkrankten Patienten. (Archiv)

Eine Intensivpflegerin versorgt auf der Intensivstation am Klinikum Braunschweig einen an Covid-19 erkrankten Patienten. (Archiv)

Foto: dpa/Ole Spata

Kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestags weisen die Intensivmediziner vehement auf die erneut steigende Corona-Gefahr und die zunehmende Belastung der Krankenhäuser hin. „Wir Intensivmediziner können die Diskussionen um einen Freedom Day oder deutliche Signale an die Bevölkerung „es ist vorbei“ nicht verstehen. Corona ist nicht vorbei“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx, unserer Redaktion.

Die Zahl der COVID-Patienten auf Intensivstationen steige seit zwei Wochen wieder sehr kontinuierlich an, betonte Marx. „Ich erwarte, dass die Politik die Lage auf den Intensivstationen erkennt und aktiv hier und jetzt Zeichen setzt. Es ist für all diejenigen auf den Intensivstationen oder auch Normalstationen, für die zahlreichen Long-Covid-Patienten und vor allem diejenigen, die noch in den nächsten Wochen und Monaten erkranken werden, in keinster Weise verständlich, das Ende der Pandemie zu deklarieren.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich mehrfach für ein Auslaufen der pandemischen Lage stark gemacht. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Montag in Berlin, dass man eine eine neue rechtliche Basis für Anti-Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsregeln anstrebe. Eine weitere Verlängerung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ um drei Monate werde nicht angepeilt.

Laut Divi sind bereits heute - am Anfang der Herbst- und Wintersaison – 20 Prozent der maximal betreibbaren High-Care-Betten, in denen schwerkranke Patienten invasiv beatmet werden können, wie sogar 35 Prozent der Low-Care-Betten auf Intensivstationen gesperrt. Das heißt, in diesen Betten können keine Patienten behandelt werden, weil das Pflegepersonal dazu fehlt. Am Stichtag 25. Oktober 2021 wurden 22.064 betreibbare Intensivbetten im DIVI-Intensivregister gemeldet. Am 01. Januar 2021 waren es noch 26.475 Betten, also 4.411 mehr – und das war im Hochpunkt der zweiten Corona-Welle in der zahlreiche Pflegekräfte selbst erkrankt waren und ausgefallen sind. „Wir sind in der Intensivmedizin also derzeit in der absurden Situation, dass wir zwar nur rund 1.600 COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen behandeln müssen, gleichzeitig fehlen uns aber mehr als 4000 Betten“, sagte Marx weiter.

Auch die Bundesregierung wies auf den Ernst der Lage hin. Regierungssprecher Steffen Seibert rief Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen auf, das Angebot einer Auffrischungsimpfung wahrzunehmen. Die Impfung sei "unser bester Schutz (...), gut durch Herbst und Winter zu kommen", sagte Seibert am Montag in Berlin. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen war zuletzt auf 110,1 Fälle pro 100.000 Einwohner und Woche gestiegen.

(jd/mün/afp)
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