Mögliche Kanzler-Reise nach Kiew Eine heikle Mission

Update | Berlin · Angesichts der erwarteten Kiew-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werden Forderungen laut, der ukrainischen Regierung konkrete Angebote für weitere Waffenlieferungen und eine EU-Beitrittsperspektive zu machen. Welche Probleme kommen auf den Kanzler zu?

Bundeskanzler Olaf Scholz (Archiv).

Bundeskanzler Olaf Scholz (Archiv).

Foto: AP/Michael Sohn

Reist er nun und wenn ja, mit wem? Die Diskussion um einen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew reißt nicht ab. Aus Sicherheitsgründen wird ein solcher Besuch nicht zuvor angekündigt. Der Elysée in Paris hatte bestätigt, dass es Planungen gebe, aber nichts entschieden sei. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, er äußere sich zu den Spekulationen nicht. Sollte Scholz reisen, wird er gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi in der Ukraine erwartet. Da Scholz betont hatte, nicht nur für einen Fototermin nach Kiew reisen zu wollen, sind die Erwartungen an ihn hoch. „Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge“, hatte der Kanzler Mitte Mai gesagt. Was also sind die Knackpunkte?

Diplomatie: Angesichts eines befürchteten Nachlassen des Interesses am Krieg im Westen geraten verstärkt diplomatische Auswege in den Blickpunkt. Nach einer Einschätzung des französischen Präsidenten vom Mittwoch wird die Ukraine irgendwann mit Russland Gespräche führen müssen, um zu versuchen, den Krieg zu beenden. „Der ukrainische Präsident und seine Beamten werden mit Russland verhandeln müssen“, sagte Macron. Bereits unlängst hatte Macron erklärt, Russland dürfe in Hinblick auf eine Verhandlungslösung nach Ende der Kämpfe nicht gedemütigt werden. Darauf hatte die Ukraine mit scharfer Kritik reagiert. Kiews Präsidentenberater Oleksiy Arestovych wies am Mittwoch einen möglichen Friedensplan nach dem Vorbild der Minsker Vereinbarung zurück. Das sei ein Problem für die Ukraine. Das Minsker Friedensabkommen wurde 2015 in der Hauptstadt von Belarus von Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland unterzeichnet, um den Bürgerkrieg in Luhansk und Donezk zu beenden.

Waffenlieferungen: Die Ukraine beklagt, vom Westen, insbesondere Deutschland, nicht ausreichend und schnell genug Waffen geliefert zu bekommen. Nach Angaben aus Kiew hat das Land erst rund zehn Prozent der von ihr angeforderten Waffen erhalten. Für die Kämpfe im Donbass hatte Präsident Selenskyj jüngst unter anderem 500 Panzer, 2000 gepanzerte Fahrzeuge, 1000 Haubitzen und 300 Mehrfachraketenwerfer aus den USA gefordert.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet, dass auf dem Nato-Gipfel am 29. und 30. Juni in Madrid ein neues Hilfspaket vereinbart wird. Insbesondere die Lieferung komplexer Luftabwehrsysteme werde aber wegen der nötigen Ausbildung der ukrainischen Kräfte „einige Zeit dauern“, betonte er.

Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 in Deutschland wird nach den Worten von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) „bald“ abgeschlossen sein. Wann genau die Haubitzen geliefert würden und auf welchem Weg, das werde sie in der Öffentlichkeit nicht sagen. Deutschland will der Ukraine nach jetzigem Stand sieben Panzerhaubitzen aus Bundeswehr-Beständen zur Verfügung stellen. Zudem sei die Bundesregierung dabei, mit den USA die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern vorzubereiten. Die etwa 50 Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard sollen den Angaben zufolge ab Juli geliefert werden.

EU-Kandidatenstatus: Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Anton Hofreiter (Grüne), erhöhte den Druck auf Scholz. „Bundeskanzler Scholz hat angekündigt, nur in die Ukraine zu reisen, wenn er ein konkretes Angebot mitbringen kann. Ich gehe davon aus, dass er sich an sein Versprechen hält“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Erfreulich wäre, wenn der Ukraine möglichst bald der EU-Kandidatenstatus verliehen würde. Das wäre ein wichtiges Signal an die Ukraine, aber auch ein deutliches Zeichen an Putin: Die EU und Europa stehen an der Seite der Ukraine“, sagte Hofreiter. Mehrere EU-Staaten, besonders osteuropäische Staaten, unterstützen das Beitrittsersuchen. Länder wie die Niederlande, Dänemark und Frankreich standen dem Vorhaben eher skeptisch gegenüber. Auch Kanzler Scholz äußert sich dazu bislang sehr zurückhaltend, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte dagegen einen Kandidatenstatus der Ukraine für den EU-Beitritt mehrfach befürwortet.

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