Kohle-Abbau nahe deutscher Grenze Schlechte Karten für Polen

Brüssel/Luxemburg · Noch hat Polen nicht verloren. Doch sehr häufig folgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Votum des Generalanwaltes. Und der empfahl am Donnerstag, Tschechien und der Kommission im Streit mit Polen um Braunkohleabbau im polnisch-deutsch-tschechischen Grenzgebiet Recht zu geben.

 Kraftwerk im polnischen Braunkohleabbaugebiet von Turow nahe der deutschen Grenze.

Kraftwerk im polnischen Braunkohleabbaugebiet von Turow nahe der deutschen Grenze.

Foto: AP/Petr David Josek

„Die Nachricht hat große Bedeutung für alle Menschen, die im sächsischen Dreiländereck leben“, meinte die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini, nachdem Generalanwalt Priit Pikamäe seinen Schlussantrag zum aktuellen Kohlestreit am Donnerstag in Luxemburg veröffentlicht hatte. Aber auch darüber hinaus wird das Verhalten der polnischen Regierung gegenüber den Empfehlungen, Vorgaben und Forderungen der Europäischen Union an diesem Punkt deutlich. Warschau schaltete erneut auf stur, wollte auch in diesem Punkt keinen europafreundlichen Kurs (Stopp des Kohleabbaus) einschlagen. Und das im Vorfeld der EuGH-Entscheidung im eskalierten Streit um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz. Dazu ist das Urteil für die übernächste Woche angekündigt.

Beobachter hielten es für möglich, dass sich die beiden Regierungschefs Mateusz Morawiecki und Petr Fiala auf eine außergerichtliche Regelung verständigen. Die Bewertung der Faktenlage durch den Generalanwalt hat jedenfalls den Druck auf Polen erhöht. Die erste Genehmigung für den Braunkohletagebau Turow auf polnischem Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland und Tschechien stammt aus dem Jahr 1994 und endete im April 2020. Ohne die Umweltverträglichkeit zu prüfen, verlängerte Polen die Erlaubnis um weitere sechs Jahre, obwohl nicht nur Tschechien sinkende Grundwasserstände, Absenkungen des Bodens und Gebäudeschäden befürchtete.

Die polnischen Behörden machten von einer nationalen Bestimmung Gebrauch, wonach für eine einmalige Verlängerung keine neue Prüfung nötig ist. Wegen der besonderen Auswirkungen des Vorhabens verstieß dies nach Feststellungen von Kommission und EU-Gericht gegen EU-Recht und legten Polen Strafzahlungen über 500.000 Euro für jeden Tag auf, an dem der Abbau weitergeht. Pikamäe unterstrich in seiner Schlussbewertung diese Tatsache, auch wenn Polen inzwischen den Verzicht auf Prüfungen aus dem Gesetz gestrichen hat. Zudem rügte der Generalanwalt, dass Warschau die weitere Abbau-Genehmigung erst  nach sechs Monaten und dann auch noch unvollständig an Tschechien übermittelte.

Damit geht nicht nur der Kohle-Streit mit Polen in eine neue Runde. Es verstärkt sich auch die generelle politische Auseinandersetzung zwischen Warschau und Brüssel um die Frage, welche Wirkung europäische Gesetze und europäische Gerichtsentscheidungen auf das Handeln der Einzelstaaten haben. Polen beharrt darauf, dass die EU-Regeln nicht zu befolgen sind, wenn die eigene Verfassung etwas anderes vorsieht. In dem am 16. Februar erwarteten EuGH-Urteil geht es um die polnischen Disziplinarkammern, die einzelne Richter verwarnen und entlassen können - und damit nach Überzeugung des EU-Parlamentes gegen das Recht jedes EU-Bürgers auf unabhängige Richter verstoßen.

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