Kommentar Entscheidung gefallen: Söder, Aiwanger und das geringere Übel
Meinung · Markus Söder hat sich entschieden: Er verschont Hubert Aiwanger und belässt ihn im Amt. Dahinter steckt auch die Überlegung, was das kleinere Übel für Söder und die CSU ist. Alles in allem hat der bayerische Ministerpräsident bisher klug agiert.
Wahltag ist in der Politik Zahltag. Inwieweit sich die Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, seinen Vize Hubert Aiwanger im Amt zu belassen, auszahlen wird, weiß man erst ganz genau am 8. Oktober. Dann finden die Landtagswahlen im Freistaat statt. Und auch Söder bekommt dann die Quittung für sein Agieren in der Krise, die die bayerische Politik erfasst hat.
Alles in allem muss man dem CSU-Chef allerdings attestieren: Er hat sich in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt, Auslöser der Ereignisse, deutlich klüger verhalten als der Vorsitzende der Freien Wähler. Während Söder die Dinge mit Ruhe und Augenmaß begleitet hat, angepasst an die Situation, hat Aiwanger einen Kommunikationsgau nach dem anderen hingelegt. Er, das Opfer. Dass Aiwanger bei aller angeblicher Reue weiterhin von Hexenjagd und Schmutzkampagne spricht, erinnert fatal an die Strategie des Donald Trump oder der deutschen AfD – Grenzen immer weiter verschieben, Dinge sagen, die man nicht sagen sollte, um sich dann als Opfer zu stilisieren. Im bayerischen Bierzelt kommt das an. Das legen zumindest die jüngsten Auftritte Aiwangers im Wahlkampf nahe. Aber dort stehen keinen Wahlurnen.
Sowohl Söder als auch Aiwanger legen die Bewertung all dessen nun in die Hand der Wähler. Das ist folgerichtig. Zieht man die politischen Mechanismen hinzu, die in solchen Krisen wirken, dürfte Söder eher punkten als Aiwanger. Erstmals hat der politische Raufbold mit dem Hang zum schnellen Meinungswechsel gezeigt, dass er auch Krise kann – sein Auftritt in der Causa Aiwanger am Sonntag wirkte überlegt, seine Begründungen weitgehend nachvollziehbar. Es war richtig abzuwägen, was gegen und für eine Entlassung Aiwangers spricht. Am Ende hat sich Söder dagegen entschieden.
An den Antworten auf die 25 gestellten Fragen dürfte das jedoch nicht gelegen haben. Liest man sie, erfährt man erstens nichts Neues, zweitens sorgen sie nicht für mehr Klarheit. Vermutlich war das persönliche Gespräch am Ende entscheidend. Und der naherückende Wahltag.
Denn Söder ist auch ein gewiefter Taktiker. Er hat schlichtweg abgewogen, was ihm mehr schaden wird, weil es in dem Fall nicht den einzig richtigen Weg gegeben hat. Hätte er Aiwanger entlassen, dann hätten die Freien Wähler die Koalition beendet und auch die von Söder favorisierte Neuauflage nach der Wahl wäre passé gewesen. Das Festhalten an Aiwanger ist aus Sicht Söders und der CSU schlichtweg das geringere Übel. Zumal er am Sonntag erneut betonte, eine Koalition mit den Grünen bleibe ausgeschlossen. Inzwischen hat er das so oft erklärt, dass man ihm dann doch Überzeugung unterstellen muss.
Alles in allem ist die Affäre damit aber noch nicht beendet. Wer weiß schon, was in den nächsten Tagen und Wochen noch ans Licht gefördert wird; und wer Aiwanger hört, dem ist klar, Demut gehört nicht zu seinen Stärken. Er selbst könnte da noch einiges lostreten. Für Söder kehrt somit ebenfalls noch keine Ruhe ein. Übrigens auch dann nicht, wenn in Bayern gewählt worden ist.