Finanzierungskonzept von Minister Karl Lauterbach Krankenkassen-Beitrag soll 2023 deutlich steigen

Berlin · Auf Millionen Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommen im Jahr 2023 Beitragserhöhungen zu. Doch die reichen nicht einmal aus, um das riesige Finanzloch der Krankenkassen von insgesamt 17 Milliarden Euro zu stopfen. Kritiker werfen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) „Taschenspielertricks“ vor.

 Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag in Berlin.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag in Berlin.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Mehr als 57 Millionen Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müssen sich im kommenden Jahr auf Beitragserhöhungen einstellen: Der Zusatzbeitrag werde um 0,3 Prozentpunkte auf durchschnittlich 1,6 Prozent erhöht werden müssen, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag. Die Anhebung solle helfen, ein Finanzloch in der GKV von 17 Milliarden Euro zu stopfen.

Das Defizit hat Lauterbach vor allem seinem Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) zu verdanken: Spahn hatte die Leistungen der Krankenversicherung in der Corona-Pandemie massiv ausgeweitet. Strukturelle Verbesserungen auf der anderen Seite blieben jedoch aus.

Allgemeiner GKV-Beitrag soll von 14,6 auf 16,2 Prozent steigen

Der allgemeine Krankenkassen­beitrag liegt derzeit bei 14,6 Prozent des monatlichen Brutto-Einkommens. Die Kassen können jedoch noch einen individuellen Zusatzbeitrag festlegen, der hinzukommt. Daher schwankt der tatsächliche Krankenkassen­beitrag 2022 je nach Bundesland zwischen 14,95 Prozent und 17,1 Prozent. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag beträgt in diesem Jahr 1,3 Prozent. Durch die nun geplante Anhebung um 0,3 Prozentpunkte steigt der durchschnittliche GKV-Beitrag im kommenden Jahr auf insgesamt 16,2 Prozent bis zur Beitragsbemessungsgrenze.

Der maximale monatliche GKV-Beitrag liegt in diesem Jahr bei 769,16 Euro. Bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten trägt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags. Wer angestellt ist und 3000 Euro brutto im Monat verdient, wird 2023 durch die 0,3 Prozentpunkte Beitragsanhebung mit 4,50 Euro pro Monat zusätzlich belastet. Wer 4000 Euro verdient, muss bereits sechs Euro mehr für die Krankenversicherung bezahlen. Selbstständige müssen in der Regel die Beitragserhöhung allein bezahlen, also doppelt so viel.

Durch die Corona-Krise sind die GKV-Ausgaben pro Versicherten stark gestiegen. Dieser Trend setzt sich wegen der anhaltenden Krise in diesem Jahr fort. Dank zusätzlicher Bundeszuschüsse war es den Kassen aber bisher möglich, den Zusatzbeitrag für 2022 stabil bei 1,3 Prozent zu halten.

„Ich habe dieses Defizit im Wesentlichen geerbt von meinem Vorgänger“, sagte Lauterbach mit Blick auf Spahn. Die Beitragserhöhung werde nicht ausreichen, um das 17-Milliarden-Loch in der GKV zu stopfen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe daher einem weiteren Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro sowie einem Bundesdarlehen von einer Milliarde für die Kassen bereits zugestimmt. Mehr sei wegen der Einhaltung der Schuldenbremse ab 2023 nicht drin gewesen, die er auch untestütze, sagte Lauterbach. Einsparungen verspricht sich der Minister durch mehr Effizienz. Darüber hinaus müssten andere Reserven angegangen werden – sowohl beim Gesundheitsfonds als auch bei den Einzelkassen seien noch Reserven vorhanden. „Wir sind wirklich in einer schwierigen Situation“, so Lauterbach. „Bei den Kassen sind noch etwa vier Milliarden Reserven, die wir heranziehen können und werden.“ Im Fonds seien es noch 2,4 Milliarden Euro.

Kritiker halten Lösung für kurzfristiges Stückwerk

Von Vertretern der Krankenkassen kam harsche Kritik. „Gefordert waren Lösungen für eine dauerhaft gesicherte Finanzperspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung. Geliefert worden ist aber nur kurzfristiges Stückwerk für das kommende Jahr“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.

„Die heute vorgelegten Eckpunkte verschaffen der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt allenfalls eine finanzielle Atempause“, sagte auch die Vorstands-Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Das Aufbrauchen von Rücklagen sei „keine solide und nachhaltige Finanzierung“. Heftige Kritik kam auch von den Arbeitgebern. Die Eckpunkte seien enttäuschend und kämen einem Taschenspielertrick gleich, sagte der Hauptgeschäftsführer ihres Verbands BDA, Steffen Kampeter.

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