Ukraines Botschaft Melnyk provoziert erneut mit starken Worten Von Leberwürsten und anderen Waffen

Die nächste Breitseite des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk gegen sein Gastland: Der Bundeskanzler ist für ihn eine beleidigte Leberwurst und kein Staatsmann. Währenddessen berät das Bundeskabinett in Meseberg in Klausur über den Ukraine-Krieg.

Mann der klaren Worte: Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, bei einem Solidaritätsabend der Ukraine im Berliner Friedrichstadtpalast. Foto: Christophe Gateau/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Mann der klaren Worte: Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, bei einem Solidaritätsabend der Ukraine im Berliner Friedrichstadtpalast. Foto: Christophe Gateau/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Christophe Gateau

Degen oder Florett? Andrij Melnyk hat in seiner Waffenkammer nachgesehen und sich an diesem Tag für den Degen entschieden. Vielleicht muss das in Kriegszeiten so sein – auch als Diplomat. Der ukrainische Botschafter ist in der Wahl seiner Worte ohnehin nicht zimperlich, wenn es darum geht, die Interessen seines Landes zu verteidigen. Mittlerweile muss er seit 70 Tagen erklären, warum die Ukraine vor allem drei Dinge braucht, wie er drei Wochen nach Kriegsausbruch im Gespräch mit unserer Redaktion gesagt hat: „Waffen, Waffen und Waffen. Gestern, heute und morgen, um uns zu verteidigen."

An diesem Befund hat sich im Kern bis heute nichts geändert. Allerdings die Position seines Gastlandes. Die Ampel-Regierung in Deutschland hat – nach einigem Zögern und Debatte – sich nun doch dazu durchgerungen, der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Ein weiterer Bruch mit dem lange bewährten Prinzip, keine Waffen aus Deutschland in ein Kriegsgebiet zu liefern. Rund 50 Flugabwehrpanzer vom Typ „Gepard“ – aus ehemaligen Bundeswehrbeständen, die seither in Lagerhallen bei der Industrie geparkt sind, soll die Ukraine bekommen. Jetzt sollen ukrainische Soldaten beim Hersteller Krauss-Maffei Wegmann geschult werden, ehe es mit den Panzern ins Gefecht geht.

Melnyk hat außer Waffen noch ein anderes Problem. Der ukrainische Botschafter befindet sich seit Wochen im Nahkampf mit führenden Vertretern seines Gastlandes. Seit der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der mit dem Präsidenten von Polen, Andrzej Duda, und den Staatschefs der baltischen Länder eine Solidaritätsreise nach Kiew geplant hatte, zeichnen verbale Scharmützel das spezielle Verhältnis. Nun hat Melnyk nachgelegt. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte am Montagabend klar, dass er bis auf weiteres nicht nach Kiew reisen werde. Die Ausladung des deutschen Staatsoberhauptes stehe einfach gegen eine solche Reise. Melnyk reagierte sofort mit einer Breitseite. „Eine beleidigte Leberwurst zu spielen klingt nicht sehr staatsmännisch“, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. „Es geht um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Nazi-Überfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten.“

Scholz und sein Kabinett kommen derweil in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung nördlich von Berlin, zur Kabinettsklausur zusammen, um über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beraten. Über Melnyk verliert Scholz kein Wort. Seine Ministerriege und er haben die Regierungschefinnen von Schweden und Finnland, Magdalena Andersson und Sanna Marin, zu Gast. Für beide Länder ist vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der möglichen Bedrohung auch für ihre Grenzen ein Nato-Beitritt ein Thema geworden. Scholz versichert umgehend seine Unterstützung. Beide Länder könnten sich unabhängig von einer Nato-Mitgliedschaft und gegebenenfalls bis zu einer Aufnahme ins Bündnis „immer auf die Unterstützung Deutschlands verlassen“. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte Schweden und Finnland eine zügige Aufnahme in Aussicht gestellt, sollten sie denn einen Antrag auf Beitritt einreichen. Scholz betont auch nochmal die Kehrtwende der von ihm geführten Regierung bei der Rüstungsexportpolitik: „Aber nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war es richtig und notwendig, dass wir diese Politik geändert haben und dass wir jetzt in großem Ausmaß Unterstützung gewährleisten, was wir auch weiter tun werden.“

„Es gibt kein Zurück“, betont denn auch die finnische Regierungschefin, deren Land militärpolitisch bislang neutral ist. Es sei „genau der richtige Zeitpunkt“ für ein Treffen bei dieser Kabinettsklausur in Deutschland gewesen. Finnland und Schweden stünden vor wichtigen Entscheidungen im Hinblick auf ihre eigene Sicherheit. „Wir sehen jetzt klarer, wohin Russland uns führen möchte, nämlich in eine Welt mit Einflusssphären, wo der Stärkere das letzte Wort hat“, betont Marin. Es sei allerdings noch nicht entschieden, ob ihr Land tatsächlich Antrag auf Nato-Mitgliedschaft stellen werde, betont die finnische Ministerpräsidentin.

Auch Schwedens Regierungschefin Andersson erklärt, der Militärangriff Russlands auf die Ukraine habe „die Lager dramatisch verändert“ – und dies habe auch dramatische Auswirkungen auf Europa und auf Schweden. Ihr Land passe sich wie auch die anderen Staaten „an diese neuen Umstände an“. Auch Schweden wolle wie Deutschland die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes hochfahren. Bis zum 13. Mai wolle ihre Regierung eine Analyse zur Sicherheit ihres Landes vorlegen. Eine Möglichkeit: der Beitritt Schwedens in die Nato. „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, so Andersson.

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