Klimakonferenz in Glasgow Merkel wirbt für globalen CO2-Preis

Berlin/Glasgow · Schon jetzt hat sich die Erde um 1,1 Grad aufgeheizt, die Folgen sind weltweit spürbar. Doch schaffen es die Staaten rund um den Globus, den Ausstoß an Klimagasen zu drosseln? Auf der UN-Klimakonferenz vergleicht einer die brenzlige Lage gar mit einem James-Bond-Film. Und Noch-Kanzlerin Angela Merkel will eine weltweite CO2-Bepreisung.

Angela Merkel am Montag beim Klimagipfel in Glasgow.

Angela Merkel am Montag beim Klimagipfel in Glasgow.

Foto: AP/Phil Noble

Mit einem leidenschaftlichen Appell hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Staaten der Welt zu viel mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung ermahnt. Sämtliche bereits zugesagten Anstrengungen beim Klimaschutz reichten hinten und vorne nicht aus, um eine Katastrophe abzuwenden, warnte er am Montag beim feierlichen Auftakt der Weltklimakonferenz COP26 im schottischen Glasgow vor Dutzenden Staats- und Regierungschefs. „Wir schaufeln uns unser eigenes Grab.“ Auch US-Präsident Joe Biden und die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderten in Reden mehr Tempo beim Klimaschutz.

„Wir sind nicht da, wo wir hinmüssen“, sagte Merkel. So seien die vorgelegten nationalen CO2-Minderungsziele nicht ausreichend, um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen, das die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad beschränken soll. Zugleich zeigte Merkel sich zuversichtlich, dass in Glasgow Fortschritte erzielt werden können: „Wir müssen und wir können das Pariser Klimaabkommen umsetzen“, sagte sie. Das Modell, das in Europa und in Deutschland mit dem Emissionshandel bereits umgesetzt wird, weise der Wirtschaft den Weg zur Klimaneutralität, sagte die Kanzlerin am Montag in Glasgow.

Auf Einladung der Vereinten Nationen beraten in Schottland Regierungsvertreter aus rund 200 Staaten zwei Wochen lang, wie die die beschleunigte Erderhitzung noch auf ein erträgliches Maß eingedämmt werden kann. Ein Dämpfer war aber am Sonntag vom G20-Gipfel gekommen: Die Wirtschaftsmächte fassten nur vage Beschlüsse zum Klimaschutz und scheiterten aus Sicht der meisten Beobachter daran, ein starkes politisches Signal nach Glasgow zu senden.

Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, übte Kritik an den Klima-Beschlüssen des G20-Gipfels mahnte verbindliche Zusagen bei der Klimakonferenz in Glasgow an. „Für den Klimaschutz ist das G20-Treffen in Rom eine Enttäuschung. Mit Blick auf nationale und wirtschaftliche Interessen wurden konkrete Zielsetzungen einmal mehr vermieden. Für die Weltklimakonferenz in Glasgow erhöht das den Druck auf die Teilnehmenden noch einmal“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Wir brauchen noch in diesem Jahrzehnt geeignete Maßnahmen, wenn wir den weltweiten Temperaturanstieg noch effektiv begrenzen wollen. Das Zeitfenster dafür schließt sich zusehends“, so der Grünen-Fraktionschef. „Deutschland hat in diesem Prozess eine Verantwortung, verbindlich voranzugehen. Die Eckpunkte im Sondierungspapier sind dafür ein gutes Gerüst, das nun mit konkreten Zielen und Maßnahmen ausgefüllt werden muss“, sagte Hofreiter. Man werde andere Länder nur dann vom Klimaschutz überzeugen, wenn man ihn selbst ernst nehme. „Der Erfolg der diesjährigen Weltklimakonferenz wird davon abhängen, inwieweit es gelingt, neue, ambitioniertere und verlässliche Klimazusagen, insbesondere der großen Emittenten, zu erreichen“, sagte der Grünen-Politiker.

Guterres verlangte, alle Regierungen müssten ihre Subventionen für fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle abschaffen, aus der Kohle aussteigen und einen Preis für sämtliche Treibhausgas-Emissionen festlegen. „Es ist an der Zeit, zu sagen: Genug“, sagte Guterres. „Genug brutale Angriffe auf die Artenvielfalt. Genug Selbstzerstörung durch Kohlenstoff. Genug davon, dass die Natur wie eine Toilette behandelt wird.“

Biden sagte zu den versammelten Staatschefs: „Wir stehen an einem Wendepunkt der Weltgeschichte.“ Es bleibe nur noch ein kurzes Zeitfenster zum Handeln. „Glasgow muss der Startschuss für ein Jahrzehnt des Ehrgeizes und der Entschlossenheit sein“, fügte er an. Die USA wollten mit gutem Beispiel vorangehen. „Ich weiß, dass das nicht der Fall war. Deshalb macht meine Regierung Überstunden, um zu zeigen, dass unser Engagement für den Klimaschutz aus Taten und nicht aus Worten besteht.“ Bidens Vorgänger Donald Trump hatte daran gezweifelt, ob der Klimawandel überhaupt menschengemacht ist - solche Zweifel sind wissenschaftlich klar widerlegt.

Der Gastgeber der Konferenz, der britische Premierminister Boris Johnson, schwor die Weltgemeinschaft ebenfalls auf schnelles und ehrgeiziges Handeln ein. „Es ist eine Minute vor Mitternacht auf der Uhr des Weltuntergangs“, sagte er. „Wir fühlen uns vielleicht nicht wie James Bond, und sehen vielleicht auch nicht so aus.“ Aber mit Blick auf den Film-Geheimagenten und die Gefahr der Erderhitzung sagte er: „Lasst uns diese Bombe entschärfen.“

Unter den rund 28.000 Menschen, die in Glasgow erwartet werden, sind auch zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, die auf den Straßen für eine ehrgeizigere Klimapolitik protestieren wollen - darunter die weltweit prominenteste Aktivistin, die 18-jährige Schwedin Greta Thunberg. Ein offener Brief führender Aktivistinnen um Thunberg an die Staatenlenker der Erde fand in kurzer Zeit mehr als eine Million Unterstützer.

(jd/dpa)
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