Besuch von Kanzler Scholz in Moskau Friedensmission mit ungewissem Ausgang

Moskau · Ein Antrittsbesuch in einer der größten Krisen der letzten Jahre: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist begleitet von großen Erwartungen nach Moskau. Was konnte der deutsche Kanzler in Russland bewirken?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Moskauer Kreml.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Moskauer Kreml.

Foto: AP/Mikhail Klimentyev

 Wieder dieser Tisch. Der sechs Meter lange weiße Mamortisch, an den der russische Präsident Wladimir Putin seinen Gast, den deutschen Kanzler, bittet. Schon der französische Präsident Emmanuel Macron hatte bei seinem letzten Russland-Besuch an dessen Ende Platz genommen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)  und Putin sitzen bei ihrem Vier-Augen-Gespräch insgesamt vier Stunden gegenüber an einem Tisch - aber dennoch sehr weit auseinander.

 Es ist Scholz bislang schwerste Reise in seiner jungen Amtszeit: Der SPD-Politiker muss nur noch kurz die Welt retten - so die Erwartung der westlichen Welt. Es sind Tage, die über Krieg und Frieden entscheiden – in der Ukraine, aber auch in  Europa. Nachdem US-Geheimdienste den 16. Februar als möglichen Angriffstag einer russischen Invasion in der Ukraine genannt haben, ist der Besuch von Scholz am Dienstag im Kreml womöglich tatsächlich der letzte eines westlichen Politikers, der noch in Friedenszeiten stattfindet.

Scholz sieht sich mit hohen Erwartungen konfrontiert – aber was kann er der russischen Seite anbieten, ohne die Ukraine zu verraten? In der Delegation gibt es am frühen Berliner Morgen Hoffnung. Aus deutscher Sicht hatte sich die Ukraine am Tag zuvor beim Besuch von Scholz  in der ukrainischen Hauptstadt Kiew bewegt. Scholz hatte betonte, dass die Nato an dem Prinzip der offenen Tür für neue Mitglieder festhalten werde, aber ein Beitritt der Ukraine jetzt nicht auf der Tagesordnung stehe. Russland fordert, dass die Ukraine dem westlichen Militärbündnis nicht beitreten darf.

Während Scholz kurz zuvor am Grabmal des unbekannten Soldaten zu den Klängen der deutschen Nationalhymne einen Kranz niederlegt, machen Medienberichte die Runde, wonach einige russische Truppen in den an die Ukraine angrenzenden Militärdistrikten in ihre Stützpunkte zurückgekehrt seien. Während groß angelegte Manöver im ganzen Land fortgesetzt würden, hätten einige Einheiten der südlichen und westlichen Militärbezirke ihre Übungen abgeschlossen und seien in ihre Stützpunkte zurückgekehrt, hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Moskau.

Bei der Pressekonferenz von Putin und Scholz wird deutlich, das das zwar ein gutes Signal am Tag des Besuchs des deutschen Kanzlers ist  - aber auch nicht mehr. Die Pressekonferenz verläuft in Teilen durchaus konfrontativ.

Scholz bezeichnet den angekündigten Teilrückzug von russischen Truppen von der Grenze zur Ukraine als „gutes Zeichen" und sagt, Sicherheitsfragen in Europa könnten nur mit und nicht gegen Moskau geklärt werden. Die diplomatischen Möglichkeiten seien in der Ukraine-Krise „bei weitem nicht ausgeschöpft“.

"So schwierig und ernst die derzeitige Lage auch scheint - ich weigere mich, sie als aussichtslos zu beschreiben", sagt Scholz mit Blick auf die drohende Kriegsgefahr in der Ukraine. Die diplomatischen Anstrengungen müssten fortgesetzt werden. „Ich weigere mich, die Situation als aussichtslos zu beschreiben . Für meine Generation ist Krieg in Europa undenkbar geworden“.

Putin pflichtet ihm bei, erwähnt aber dabei, dass der Krieg in Yugoslawien von der Nato entfesselt worden sei. Scholz widerspricht.

Putin will die Frage einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine jetzt geklärt haben. Es nutze nichts, wenn er jetzt höre, dass das Land auf Jahre hin nicht Mitglied der Allianz werde, sagt Putin.Scholz bekräftigt, dass diese Frage aktuell nicht auf der Tagesordnung stehe.

Und dann kommt Scholz doch noch  auf Nord Stream 2 zu sprechen, das  Putin als rein „wirtschaftliches Projekt“ bezeichent. Scholz stellt weitreichende Konsequenzen bei einem militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine in Aussicht gestellt. „Wir jedenfalls wissen, was dann zu tun ist“, betonte er  „Und mein Eindruck ist, dass das auch alle anderen ganz genau wissen.“ Zur Rolle von Nord Stream 2 in dem Konflikt sagte Scholz: „Was die Pipeline selber betrifft, wissen alle, was los ist.“

Man habe sich verpflichtet, sicherzustellen, dass der Gastransit in Europa funktioniere - „über die Ukraine, über Belarus und Polen, mit Nord Stream 1, insgesamt entsprechend der Vereinbarungen, die wir haben“, sagte Scholz. „Und dafür werden wir auch Sorge tragen.“

Anders als nach dem Treffen mit US-Präsident Joe Biden sprach Scholz in Moskau auch den Namen der umstrittenen Gaspipeline in der Ostsee aus. „Was Nord Stream 2 betrifft, will ich die privatwirtschaftlichen Aktivitäten eines früheren Politikers nicht weiter kommentieren“, sagte er auf eine Frage zu Äußerungen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder.

Der ukrainischen Präsidente Wolodimir Selenskij hatte eingeräumt: „Vielleicht ist die Frage der offenen Tür für uns doch ein Traum." Niemand wisse, wann es soweit sei und was am Ende stehe. Außerdem wolle man im sogenannten Minsker Prozess zu den Separatistengebieten weiterkommen.

 Bei diesem Besuch sind schon die Corona-Vorkehrungen im Vorfeld politisch. Die deutsche Delegation und die mitreisenden Journalisten mussten sich drei PCR-Tests in Deutschland unterziehen, einem vierten in Moskau. Sollte dieser positiv sein, drohte eine Quarantäne in Moskau.  Der deusche Regierungschef hatte es abgelehnt, sich von russischer Seite auf Corona testen zu lassen. Stattdessen ließ er den Test nach seiner Landung von einer Ärztin der deutschen Botschaft an Bord seiner Regierungsmaschine abnehmen. Die russischen Gesundheitsbehörden seien eingeladen worden, bei dem Test dabei zu sein, hieß es aus dem Umfeld des Kanzlers, diese lehnten das Angebot jedoch ab. Deswegen stieg  der Kanzler auch mit einer Verspätung von 40 Minuten aus der Maschine aus.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich dem russischen Test verweigert – das Ergebnis war der berühmte sechs Meter lange weiße Tisch, der in den sozialen Medien für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Man hatte sich in der deutschen Delegation schon auf diesen Umstand eingestellt.

Scholz weist zu Beginn seines ersten ausführlichen Gesprächs mit dem russischen Präsidenten die „schwierige Situation“ für Frieden und Sicherheit in Europa hingewiesen. Er sei vor diesem Hintergrund froh, dass er sich mit Putin austauschen könne, sagte der SPD-Politiker. „Das Wichtigste ist ja, dass wir die Beziehungen zwischen den Staaten durch gute Gespräche miteinander lösen.“

Scholz, in Außenpolitik noch ein Neuling, hat sich gründlich vorbereitet auf seine Mission vorbereitet, das Gespräch mit Wissenschaftler gesucht, den außenpolitischen Beratern, die Dossiers studiert. Es ist seine Feuertaufe, gleich zu Beginn. Der Kreml ist ohnehin kein leichter Ort für Delegationen, noch nie gewesen. Vieles erinnert an ein höfisches Zeremoniell, die Macht wird demonstriert. Unvergessen wie etwa der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in den Kreml eingeladen, aber nicht vorgelassen wurde und dann wie ein Bittsteller auf einem Sofa mit antiquiertem Telefon nur telefonieren konnte. Oder Putin den türkischen Präsident Recip Tayyip Erdogan auf seine Audienz warten ließ.

(mün)
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