Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei Bundeskanzler Olaf Scholz Schulterschluss gegen Putin

Das Bündnis und die Zeitenwende. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fordert eine starke und bereite Bundeswehr. Beim Besuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz betonen beide Politiker, dass sich die Nato von Russland unter keinen Umständen in den Ukraine-Krieg hineinziehen lassen werde.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Besuch des Mauer-Museums am Donnerstag in Berlin

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Besuch des Mauer-Museums am Donnerstag in Berlin

Foto: AP/Michael Sohn

Zwei Tage Aufenthalt in einer Stadt. Das ist für Jens Stoltenberg, wenn nicht gerade Nato-Gipfel ist, sehr viel Zeit an einem Ort. Es muss einiges zu besprechen geben für den Nato-Generalsekretär in Berlin. Der Norweger ist in der Stadt der „Zeitenwende“ – 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr, so ausgerufen von Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich in einer Sondersitzung des Bundestages an einem Sonntag, drei Tage nachdem die russischen Streitkräfte am 24. Februar ihren Überfall auf die Ukraine gestartet hatten. Stoltenberg ist am Ende des zweiten Tages seiner Visite voll des Lobes: „Ich begrüße die Tatsache, dass Sie einen Sonderfonds eingerichtet haben“, sagt er am späten Nachmittag beim gemeinsamen Auftritt mit Scholz im Bundeskanzleramt. Vieles gut beim Nato-Partner Deutschland. Aber eben nicht alles. Einen Satz in Richtung Scholz möchte Stoltenberg dann doch noch loswerden: „Olaf, ich danke dir für deine Führungsrolle.“ Scholz verkneift sich ein Schmunzeln. Wie hatte der Bundeskanzler zu einem früheren Zeitpunkt und aus anderem Anlass einmal gesagt? Wer Führung bestelle, der bekommen sie von ihm auch. Stoltenberg hat bestellt. Und Scholz offenbar geliefert.

Scholz und Stoltenberg schließen zwei intensive Tage für den Nato-Generalsekretär in der deutschen Hauptstadt ab. Demonstrativer Schulterschluss gegen Wladimir Putin und seinen Krieg in der Ukraine. Scholz wird gleich deutlich: „Russland darf und wird diesen Krieg nicht gewinnen.“ Genauso klar sei aber auch, dass die Nato sich in diesen Krieg nicht hineinziehen lassen werde, weil sonst eine Eskalation drohe, die niemand mehr kontrollieren und stoppen könne. Doch „jeden Fußbreit“ des Bündnisgebietes werden man verteidigen. Dies müsse auch der Aggressor in Moskau wissen. Auch Stoltenberg betont noch einmal, es werde dem Kreml-Herrscher nicht gelingen, das Bündnis in den Krieg zu verwickeln. Die Allianz aber stehe klar und entschlossen an der Seite der Ukraine. Jetzt, da der Winter beginne, sei auch deutlich, dass Putin den Winter als Waffe gegen die Menschen in der Ukraine einsetze. Natürlich, in Folge des Ukraine-Krieges seien auch in Europa die Preise für Nahrungsmittel und Strom gestiegen. Es gebe im Vergleich zur Ukraine nur einen Unterschied: „Wir zahlen mit Geld, aber die Ukraine zahlt mit Leben.“ Waffen und militärisches Gerät aus Deutschland schütze Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser in der Ukraine.

An Tag eins seiner Visite war mit Stoltenberg noch ein anderer Norweger mit prominenter Funktion in Berlin: Ministerpräsident Jonas Store. Scholz und sein Gast aus Oslo identifizieren dabei auch gleich einen neuen Auftrag für die Nato und ihren Generalsekretär. Nach mehreren Lecks an den Nord-Stream-Pipelines 1 und 2, vermutlich ausgelöst durch Sabotage, die Russland zugeordnet wird, soll die Nato nach dem Willen von Scholz und Store künftig Gas-Pipelines und Internetleitungen auf dem Meeresboden vor Angriffen schützen. Stoltenberg wiederum soll dafür eine Koordinierungsstelle einrichten.

Einen Termin weiter freut sich der erste Mann der Nato bei der Berliner Sicherheitskonferenz über „europäische Anstrengungen“, die eigene Verteidigungsfähigkeit weiter zu erhöhen. Kurz und trocken: „Gut.“ Aber es geht noch mehr. „Mehr Fähigkeiten, mehr Kampftruppen, mehr schnelle Eingreifkräfte.“ Der Norweger plädiert auch bei den Verteidigungsausgaben für einen Zuschlag. Aber bitte „keine Doppelstrukturen und keinen Wettbewerb“ zwischen EU und Nato.

Dann kommt er auf die Bundeswehr zu sprechen – und somit auf die von Scholz ausgerufene Zeitenwende. Die Investitionen in neue Kampfflugzeuge, Hubschrauber, Schiffe und U-Boote seien historisch und auch eine Reaktion auf die geänderte Sicherheitslage nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Stoltenberg wechselt den Ort und lässt sich zum Bendlerblock fahren. Gespräch mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht – nicht presseöffentlich. Die SPD-Politikerin hat unlängst im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt, dass die Bundeswehr Polen drei deutsche Flugabwehrsysteme des Typs „Patriot“ liefern wolle, mit dem sich der Nato-Partner besser gegen mögliche Angriffe aus der Luft schützen könne. Hintergrund ist der Unfall an der polnisch-ukrainischen Grenze durch eine mutmaßlich fehlgeleitete ukrainische Flugabwehrrakete. Ob Stoltenberg und Scholz auch einverstanden wären, wenn diese „Patriots“ aus Deutschland am Ende auch in der Ukraine stehen?, werden beide bei der gemeinsamen Pressekonferenz gefragt. Stoltenberg sagt, man sei noch im Gespräch mit Polen. Man brauche aber auch Ersatzteile und Instandsetzung für die „Patriots“. Auch Scholz sagt zu einer Stationierung der „Patriots“, die Diskussion „mit Polen ist noch nicht beendet“. Mehr sagt er nicht. Bloß keine schlafenden Tiger wecken. Denn einer ist schon wach: der aus Russland.

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