Der Fall Timanowskaja Maas sieht „Verachtung olympischer Prinzipien“

Der Fall der belarussischen Olympiateilnehmerin Kristina Timanowskaja schlägt Wellen. Außenminister Heiko Maas wirft dem belarussischen Regime die „Missachtung olympischer Prinzipien“ vor. Andere Politiker fordern ein härtere Gangart - auch seitens des IOC.

 Die belarussische Olympiateilnehmerin Kristina Timanowskja. Sie fürchtete ihre Entführung und hat Schutz gesucht in der polnischen Botschaft in Tokio. Nun schaltet sich auch Außenminister Maas (SPD) in den Fall ein.

Die belarussische Olympiateilnehmerin Kristina Timanowskja. Sie fürchtete ihre Entführung und hat Schutz gesucht in der polnischen Botschaft in Tokio. Nun schaltet sich auch Außenminister Maas (SPD) in den Fall ein.

Foto: AFP/YUKI IWAMURA

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) schaltete sich am Dienstag in den Fall der Leichtathletin Kristina Timanowskaja aus Belarus ein. „Die Machthaber in Minsk haben mit der versuchten Verschleppung von Kristina Timanowskaja gezeigt, dass sie ihre eigenen Sportlerinnen und Sportler - und damit auch die olympischen Prinzipien - verachten“, sagte Maas unserer Redaktion. Das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko sei „politisch und moralisch bankrott“. Starke Worte. Der Druck wächst wieder. Auch von deutscher Seite. Auf den weißrussischen Diktator, aber genauso auf das Internationale Olympische Komitee (IOC).

Denn Lukaschenko geht offenkundig immer rücksichtsloser gegen Oppositionelle und Kritiker vor, auch außerhalb des eigenen Landes. Zur Erinnerung: Erst im Mai ließ er mit Kampfjets ein Flugzeug nach Minsk umleiten und eine Landung erzwingen. In dem Flieger saß der 26-jährige Regimekritiker Roman Protasewitsch. Die internationale Empörung über die Entführung war groß. Der junge Mann und seine ihn begleitende Freundin wurden daraufhin in den Staatsmedien vorgeführt, Protasewitsch droht jetzt eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren. Am Dienstag dann fand man in der Ukraine den belarussischen Oppositionellen Vitali Schischow erhängt auf. Er war vom Joggen nicht zurückgekommen. Schischow half belarussischen Flüchtlingen. Die genauen Umstände sind freilich noch ungeklärt.

„Leistungsträgerinnen und Leistungsträger der Gesellschaft sind gezwungen, ihrem Heimatland den Rücken zu kehren“, ergänzte Außenminister Maas. Gleichwohl zeige die überwältigende Welle der Unterstützung für die Leichtathletin insbesondere durch Polen, dass der Gedanke von Freundschaft und Respekt lebe. „Sportsgeist und Solidarität sind stärker als die Gewalt, mit der Herr Lukaschenko sich verzweifelt an die Macht klammert“. Kritik am IOC wollte der Außenminister aber nicht üben.

Anders allerdings der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff.  „Das IOC sollte das Belarussische Olympische Komitee suspendieren und Sportlerinnen und Sportlern aus dem Land die Möglichkeit geben, unter der olympischen Flagge bei den Spielen anzutreten“, sagte Lambsdorff unserer Redaktion. Darüber hinaus müsse die Bundesregierung gemeinsam mit den europäischen Partnern jetzt Maßnahmen ergreifen „und zu einem härteren Umgang mit der letzten Diktatur Europas kommen“. Lambsdorff forderte wirtschaftliche Sanktionen: „Ein Embargo gegen den Kalisektor ist ebenfalls unausweichlich, um spürbare Konsequenzen zu ziehen.“ Dieser Bereich gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Belarus, nicht zuletzt wegen der Beteiligung großer Staatsunternehmen.

Machthaber Lukaschenko stelle die Brutalität seines Regimes gerade auf vielen Ebenen öffentlich zur Schau, so der FDP-Mann weiter. Er lasse Flugzeuge entführen, werde hinter der Ermordung des Exil-Aktivisten Schischow vermutet „und verfolgt auch im eigenen Olympiateam Kritiker, wie der Fall Timanowskaja zeigt“. Die Sprinterin sollte am Sonntagabend offenbar gegen ihren Willen von den Spielen in Tokio vorzeitig nach Hause geflogen werden, nachdem sie öffentlich Sportfunktionäre ihres Landes kritisiert und sich mit Regimekritikern solidarisiert hatte. Sie habe Angst um ihre Sicherheit und fürchte eine Bestrafung, so die 24-Jährige Sportlerin, die daraufhin Schutz in der polnischen Botschaft in Japans Hauptstadt suchte. Das IOC hat nun eine „formale Untersuchung“ gegen das belarussische Nationale Olympische Komitee eingeleitet.

Auch der Vize-Vorsitzende der deutsch-belarussischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Oliver Kaczmarek (SPD), forderte ein härteres Vorgehen. „Das IOC darf es angesichts dieses Vorgangs nicht bei Symbolhandlungen belassen, sondern muss zu harten Konsequenzen gegen die Verantwortlichen und im Sinne der olympischen Idee bereit sein.“  Darüber hinaus müssten die Regierungen in der EU „weiterhin dem Regime in Minsk mit klarer Haltung und gegebenenfalls auch weiteren Sanktionen begegnen“, so Kaczmarek auf Nachfrage. Der Grüne Außenexperte Omid Nouripour erklärte, das System Lukaschenko schrecke weiterhin vor Staatsterror nicht zurück. Nun werde auch noch „Menschenraub auf dem Boden eines Neutralen“ angestrebt. Die Bundesregierung müsse endlich für einen härteren Kurs der EU gegenüber Lukaschenko eintreten. Ob es dazu kommt, ist offen.

Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom August 2020 und des gewaltsamen Vorgehens gegen die Opposition hatte die Europäische Union Sanktionen gegen zahlreiche Belarussen verhängt, darunter gegen Präsident Lukaschenko selbst. In Tokio gilt er als unerwünscht. Im Dezember wurden zudem sieben staatsnahe Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Zu einem Kurswechsel hat dies die Machthaber in Minsk aber nicht gebracht. Im Gegenteil, wie sich jetzt bei den Spielen gezeigt hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort