Ex-Parteichef Oskar Lafontaine gegen die Spitze der Saar-Linken Wieder Zwist unter Genossen

In sechs Wochen wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Die Linke muss um den Wiedereinzug bangen. Und nun kocht ein alter Konflikt wieder hoch. Noch-Fraktionschef Oskar Lafontaine wirft Landeschef Thomas Lutze ein „Betrugssystem“ vor.

Oskar Lafontaine will die Kandidatenliste der Linken für die Landtagswahl im Saarland nicht unterstützen. Er sieht darin ein „Betrugssystem“ des Landesvorsitzenden Thomas Lutze

Oskar Lafontaine will die Kandidatenliste der Linken für die Landtagswahl im Saarland nicht unterstützen. Er sieht darin ein „Betrugssystem“ des Landesvorsitzenden Thomas Lutze

Foto: dpa/Oliver Dietze

Noch sechs Wochen bis zur Landtagswahl im Saarland. Und die Linke kommt weiter nicht zur Ruhe. Fraktionschef Oskar Lafontaine hat seiner Partei wieder den Fehdehandschuh hingeworfen. Ein alter Kampf zwischen Lafontaine und dem Chef der Saar-Linken Thomas Lutze kocht wieder hoch. Wie schon vor der Bundestagswahl greift Lafontaine die Parteiführung seines Landesverbandes um den Vorsitzenden Lutze an. Der heute 78-jährige Lafontaine, Mitgründer und ehemalige Bundesvorsitzender der gesamtdeutschen Partei Die Linke, stört sich an Machtgebaren und Amtsführung Lutzes, dem Lafontaine vorhält, dieser habe ein Betrugssystem bei der Werbung von Mitgliedern installiert, um sich an der Spitze der Saar-Linken zu halten. Auch die ehemalige Landesvorsitzende Astrid Schramm wirft Lutze und seinen Mitstreitern vor, diese hätten seinerzeit bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl 2017 Stimmen von Mitgliedern gekauft, um dessen Aufstellung auf Platz eins der Landesliste zu sichern. Lutze weist die Vorwürfe zurück. Schramm ist inzwischen aus der Partei ausgeschlossen. Das Parteiausschlussverfahren gegen Lafontaine läuft noch.

Für die Linke kommt diese erneute Auseinandersetzung zwischen Lafontaine und Lutze zur Unzeit. Die Partei, die 2009 mit Lafontaine als Spitzenkandidat auf 21,3 Prozent der Stimmen kam und auch 2012 und 2017 mit ihm zweistellige Ergebnisse holte, muss mittlerweile um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Lafontaine tritt nach dieser Landtagswahl nicht mehr an.

Lafontaine äußerte nun im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur massive Kritik auch an der Parteiführung in Berlin. Dass die Linke im Saarland womöglich den Wiedereinzug in den Landtag verpasse, liege auch am Verhalten der Parteispitze in Berlin. Alle Appelle, „das Betrugssystem hier abzustellen, das darin besteht, dass auf der Grundlage fingierter und manipulierter Listen bei Landtagswahlen und Bundestagswahlen die Mandate vergeben werden, wurden nicht gehört“, so der Noch-Fraktionschef. Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler wies den Vorwurf zurück. Er sagte auf Anfrage: „Der Vorwurf ist nicht haltbar. Im Saarland existiert kein ‚Betrugssystem‘. Wer das behauptet, soll dies auch beweisen.“ Die ehemalige Landesvorsitzende Schramm, die heute als Parteilose Fraktionsvize der Linken im Landtag ist, ist über Schindlers Aussage sprachlos. Sie sagte auf Anfrage unserer Redaktion: „Herr Schindler war doch selbst im Saarland und hat die Listen mit Karteileichen und den Namen gekaufter Mitglieder in Händen gehalten.“ In einem Schreiben des Bundesvorstandes vom Oktober 2019 an Lutze hatte die Parteiführung in Berlin „im Bereich der Mitgliederverwaltung ernsthafte Probleme“ an der Saar beklagt.

Die Co-Vorsitzende der Bundespartei, Susanne Hennig-Wellsow, war im vergangenen Jahr kurz vor dem digitalen Bundesparteitag eigens zu Friedensgesprächen ins Saarland gereist. „Ich war auch beim Oskar“, ließ sie die Delegierten an den Bildschirmen wissen. Nur mit welchem Ergebnis? In der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes traten dann Lafontaine und dessen Ehefrau, die ehemalige Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, gemeinsam mit Hennig-Wellsow in deren Thüringer Wahlkreis im Weimar auf. Doch die Schlichtungsversuche der Parteivorsitzenden fruchteten offenbar nicht.

Jetzt geht der Kampf Lafontaine gegen Lutze, der von 2005 bis 2009 Wahlkreismitarbeiter von Lafontaine in Saarlouis war, in eine nächste Runde.  Lafontaine hatte schon in den Wochen vor der Bundestagswahl dazu aufgerufen, Lutze als Spitzenkandidaten der Saar-Linken nicht zu wählen. Nun machte Lafontaine deutlich, dass er auch die Kandidatenliste der Saar-Linken für die Landtagswahl am 27. März nicht unterstützen werde. Der Streit zwischen Lafontaine und dem Lutze-Lager schwelt bereits seit Jahren. Mittendrin der Genosse Mekan Kolasinac aus Saarlouis. Drei Jahre hatte Kolasinac im Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Lutze gearbeitet. Der Vorwurf: Der Schausteller und Imbissbudenbetreiber Kolasinac soll Lutze mit Geld neue Mitglieder und somit Mehrheiten auf Parteitagen besorgt haben. Kolasinac und Lutze sind inzwischen zerstritten.

Gegen Lafontaine läuft wegen wiederholter Kritik an der Parteiführung der Saar-Linken ein Parteiausschlussverfahren vor der Bundesschiedskommission. Wie im Karl-Liebknecht-Haus zu hören ist, soll eine Entscheidung keinesfalls vor der Landtagswahl im Saarland fallen. Womöglich kommt der Ex-Parteichef einem Votum auch zuvor. Ein Insider sagt: „Ein Lafontaine lässt sich nicht aus der Partei rausschmeißen.“ Eher gehe er selbst.

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