Geplantes Öl-Embargo Ost-Länder erhöhen Druck auf Bundesregierung

Berlin · Die EU plant ein Embargo russischer Erdöl-Lieferungen. Für Ostdeutschland bedeutet das erhebliche Risiken bei der Versorgungssicherheit, weil eine Raffinerie in Brandenburg dadurch in Schwierigkeiten gerät. Mehrere Länder fordern Hilfe von Bundeswirtschaftsminister Habeck.

 04.05.2022, Brandenburg, Schwedt: Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH sind abends beleuchtet. In der Erdölraffinerie kommt Rohöl aus Russland über die Pipeline «Freundschaft» an. Der russische Energiekonzern Rosneft hatte im vergangenen Jahr einen Großteil der Raffinerie übernommen. Rosneft ist der größte russische Ölproduzent. Die Anlage in der Uckermark verarbeitet nach eigenen Angaben jährlich 12 Millionen Tonnen Rohöl und gehört damit zu den größten Verarbeitungsstandorten in Deutschland. Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

04.05.2022, Brandenburg, Schwedt: Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH sind abends beleuchtet. In der Erdölraffinerie kommt Rohöl aus Russland über die Pipeline «Freundschaft» an. Der russische Energiekonzern Rosneft hatte im vergangenen Jahr einen Großteil der Raffinerie übernommen. Rosneft ist der größte russische Ölproduzent. Die Anlage in der Uckermark verarbeitet nach eigenen Angaben jährlich 12 Millionen Tonnen Rohöl und gehört damit zu den größten Verarbeitungsstandorten in Deutschland. Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Patrick Pleul

Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben wegen des geplanten EU-Öl-Embargos gegen Russland die Bundesregierung aufgefordert, die Energieversorgung mit Alternativen zu sichern. „Es ist richtig, eine von Russland unabhängige Versorgung mit Erdöl aufzubauen, zugleich sehe ich als Ministerpräsidentin mit Sorge, wenn an den Tankstellen in Mecklenburg-Vorpommern Engpässe drohen, weil sie zum Großteil über die Raffinerie in Schwedt versorgt werden“, sagte Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) unserer Redaktion. Zuvor hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor Engpässen bei der Versorgung etwa mit Treibstoff vor allem in Ostdeutschland gewarnt.

Die Raffinerie in Schwedt wird vom russischen Staatskonzern Rosneft kontrolliert und ist ein Kernproblem, dass Deutschland nicht schneller von russischen Öllieferungen unabhängig wird. Habeck reist am Montag nach Schwedt und wird Gespräche mit der Geschäftsführung und der Belegschaft der PCK-Raffinerie führen. Das teilte sein Ministerium am Freitag mit. In Schwedt endet die Pipeline „Druschba“ (Freundschaft) aus Russland. Das Öl wird in der Raffinerie verarbeitet. Die Anlage hat mehr als 1000 Mitarbeiter.

Dem Wirtschaftsministerium zufolge ist die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Öl von etwa 35 Prozent im vergangenen Jahr auf zwölf Prozent gesunken. Bei diesen zwölf Prozent handelt es sich um Belieferungen der Raffinerie in Schwedt. Habeck hatte mehrfach angekündigt, das Problem lösen zu wollen. Die Bundesregierung könnte auf Grundlage einiger Gesetzesänderungen die Raffinerie unter eine staatliche Treuhandverwaltung zu stellen oder sogar enteignen. Die Anlage müsste mit anderem Öl versorgt werden, etwa per Schiffen über den Hafen Rostock, von wo eine Leitung nach Schwedt führt.

Die zuständige Ministerpräsidentin Schwesig zeigte sich offen dafür, pochte aber auch auf Unterstützung des Bundes. „Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land der Pendlerinnen und Pendler. Mobilität ist hier oft entscheidend für die Existenzsicherung. Es ist selbstverständlich, dass wir die Raffinerie in Schwedt über den Hafen Rostock mit Erdöl versorgen werden“, sagte sie. „Trotzdem wäre ein Erdöltransport mit Tankern über die Ostsee für die Umwelt und für den Tourismus eine zusätzliche Belastung. Klar ist auch, dass das allein nicht ausreichen wird“, so Schwesig. „Deshalb müssen jetzt dringend weitere Möglichkeiten geprüft werden, mit denen eine ausreichende Versorgung abgesichert werden kann“, forderte die SPD-Politikerin.

Ähnlich äußerte sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an diesem Freitag in einem Brief an Habeck, der unserer Redaktion vorliegt. Darin heißt es, die Schwedter Raffinerie habe eine „große Bedeutung für die sicherer Versorgung großer Teile Ostdeutschlands mit Treibstoffen“. Woidke forderte in seinem Schreiben, dass für den Betrieb der Raffinerie sichere Alternativen gefunden werden müssten, um die Versorgungssicherheit weiter zu gewährleisten. „Zweitens müssen die Arbeitsplätze der Raffinerie, aber auch bei allen beteiligten Unternehmen mit geeigneten Maßnahmen der Bundesregierung gesichert werden“, so Woidke in seinem Brief. Und drittens benötige die Region politische und finanzielle Unterstützung für die nötigen Umbau- und Transformationsmaßnahmen.

Auch Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) erhöhte den Druck auf den Bund und forderte eine enge Abstimmung mit den ostdeutschen Bundesländern. „Es darf keine Situation entstehen, in der Ostdeutschland in die leere Röhre guckt. In der Region wären Millionen von Haushalten und ganze Wirtschaftszweige betroffen“, sagte Schwarz auf Anfrage. „Sollte es temporär zu Engpässen aufgrund des Öl-Embargos kommen, müssen die gut gefüllten Bundesvorräte an Erdöl und Benzin zum Einsatz kommen und da sage ich auch ganz deutlich: Ostdeutschland muss dann bei der Zuteilung Priorität haben.“ Und auch die dafür notwendige Logistik müsse stehen. „Zugleich sollten wir bewährte Maßnahmen wie die Überbrückungshilfen einsatzbereit machen, um Unternehmen zu helfen, die unverschuldet wegen möglichen Engpässen und steigenden Energiepreisen in die Knie gezwungen werden könnten“, sagte Schwarz.

An der Ostseeküste sieht man die Entwicklungen kritisch. Tobias Woitendorf, Geschäftsführer beim Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, befürwortet zwar eine Umstellung der Raffinerie in Schwedt, um von russischem Öl unabhängig werden zu können. Mit Blick auf die Lieferungen per Tankschiffen durch die Ostsee warnt er jedoch vor Sicherheits- und Umweltrisiken. „Ein Öl-Leck oder ein havarierter Tanker wären eine Katastrophe für die Menschen, die Natur und natürlich auch für den Tourismus“, sagte Woitendorf. Er forderte daher, dass auf den Schiffen erfahrenes Personal zum Einsatz kommen müsse, dass die schmale und stark frequentierte Fahrrinne kenne. „Notfalls müsste es eine temporäre Lotsenpflicht geben“, sagte Woitendorf.

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