Kanzler besucht deutsche Truppen im Ausland Scholz „Zeitenwende“ findet auch in Afrika statt

Tillia/Niger · Während seiner Afrika-Reise hat Kanzler Olaf Scholz am Montag das erste Mal deutsche Truppen im Ausland besucht. Die „Zeitenwende“ hat auch Einfluss auf den Kampf gegen den Terror in der Sahel-Zone. Was Scholz im Niger erlebt.

Kanzler Olaf Scholz im Transportflugzeug der Bundeswehr.

Kanzler Olaf Scholz im Transportflugzeug der Bundeswehr.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Aussicht ist berückend. Die Wüste Nigers erstreckt sich in unendlichen Weiten beim Blick aus dem Cockpit. Das ist allerdings auch das einzige, was für einen Moment vergessen lässt, dass man sich an Bord eines Militärtransporters befindet und Soldaten im hinteren Teil der Maschine in Flecktarn mit Maschinenpistolen den Ausstieg der Delegation vorbereiten. Ziel ist ein Gelände nahe der Stadt Tillia im Niger. Auf dem Militärstützpunkt bildet unter anderem eine Handvoll deutscher Kampfschwimmer der Marine nigrische Spezialkräfte für den Kampf gegen den islamistischen Terror aus.

Kanzler Olaf Scholz besucht nach gut fünf Monaten im Amt das erste Mal deutsche Soldaten im Ausland. Der SPD-Politiker steigt in Poloshirt und Stoffhose aus dem Militärtransporter. „Die Bundeswehr leistet hier Außerordentliches und hat hier auch Außerordentliches unter sehr schwierigen Bedingungen zustande gebracht“, sagt er. Es gehe darum, dass die nigrischen Streitkräfte selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können. Er spricht von einem „sehr erfolgreichem Mandat, das aber auch gefährlich ist“. An der seit 2018 laufenden Mission „Gazelle“, die zum EU-Ausbildungseinsatz EUTM gehört, sind nach Angaben des Einsatzführungskommandos etwa 200 deutsche Soldaten beteiligt. Zwischen zwölf und fünfzehn Frauen sind darunter.

Der Kanzler wird auf dem Gelände unter großen Sicherheitsvorkehrungen herumgeführt, besichtigt einen Gefechtsstand, lässt sich über den Stand der Ausbildung informieren. Die Umstände sind schwierig. Oft werden Temperaturen bis zu 50 Grad erreicht.

Die „Zeitenwende“ erlebt der 63 Jahre alte Regierungschef hier vor Ort, sieht die Notwendigkeit einer guten Ausstattung der Bundeswehr. Scholz hatte bislang in seinem Leben nicht viel zu tun mit Militär, den Zivildienst hatte er verweigert. Eine Entscheidung, so sagte er es neulich, die er mittlerweile anders treffen würde. Seit dem Überfalls Russlands auf die Ukraine am 24. Februar hat sich alles verändert – auch in Scholz politischem Leben.

Der Bundestag hatte erst am Freitag die beiden Mandate für die Einsätze der Bundeswehr in Mali und Niger für ein Jahr verlängert, so wie es die Regierung nach langem Ringen vorgeschlagen hatte. Die deutsche Beteiligung an dem UN-Stabilisierungseinsatz Minusma in Mali wird ausgebaut mit einer Obergrenze von jetzt 1400 Soldatinnen und Soldaten statt bisher von 1100. Die Beteiligung der Bundeswehr an dem europäischen Ausbildungseinsatz EUTM wiederum soll künftig vor allem auf Niger konzentriert werden.

Hat man noch eine Chance gegen den islamistischen Terror, der sich vor allem in Mali und seinen Grenzgebieten ausbreitet? Im Niger zumindest, so sagen es Sicherheitsexperten vor Ort, hat man es bislang geschafft, den Terror zurückzudrängen. Von der Bundesregierung wird das arme Land als „Anker der Stabilität“ gesehen. Die demokratisch gewählte Regierung fährt einen prowestlichen Kurs. Sie hat sich klar gegen eine Zusammenarbeit mit Russland ausgesprochen.

Während Scholz in Afrika reist, halten ihm seine Kritiker daheim vor, die Ukraine im Kampf gegen Russland nicht ausreichend zu unterstützen. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter sagte sogar in einer Talkshow: „Ich befürchte, dass der Bundeskanzler nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Gewinnt in dem Sinne, dass die russischen Truppen aus dem Land getrieben werden.“

Die Frage, unter welchen Bedingungen der Krieg beendet werden könnte, wird verstärkt diskutiert. Scholz hatte zuletzt betont: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, die Ukraine muss bestehen.“ Er ist auch überzeugt, dass es sei allein die Entscheidung der Ukraine ist, unter welchen Bedingungen das Land Frieden schließen will. Man erlebt in diesen Tagen einen Kanzler, der mit sich und seiner Linie im Reinen scheint. Kritik, dass er nicht nach Kiew, sondern nach Afrika gereist ist, lässt er nicht gelten. Er hält Deutschlands Linie - in Abstimmung mit den Verbündeten - für die richtige. Eine Änderung des Kurses wird von Afrika als Signal nicht ausgehen.

Und am Ende gibt es dann in Tillia doch noch einen Lacher auf den Gesichtern von Scholz Sicherheitsbeamten. Die örtlichen Stammesführer haben dem deutschen Kanzler ein traditionelles Bett geschenkt, das in seinen Einzelteilen an den Transporter gebracht wird. Es sind recht große Holzpfähle. Deutschland steht hier für die Hoffnung, sich dem Terror nicht alleine entgegenstellen zu müssen. Noch sind die Deutschen da – die Franzosen sind dabei, sich zurückziehen.

(mün)
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