Parteien SPD stimmt mit knapper Mehrheit für Verhandlungen mit der Union

Bonn · Der Trierer Parteienforscher Uwe Jun macht den Willen zur Gestaltung als entscheidendes Merkmal aus. Aber kommt es wirklich zur Groko? Das letzte Wort haben die Parteimitglieder.

 Erleichterung: Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer, Parteichef Martin Schulz und Bundestags-Fraktionschefin Andrea Nahles (von rechts) applaudieren nach der Entscheidung für Groko-Verhandlungen.

Erleichterung: Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer, Parteichef Martin Schulz und Bundestags-Fraktionschefin Andrea Nahles (von rechts) applaudieren nach der Entscheidung für Groko-Verhandlungen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Vier Monate nach der Bundestagswahl hat die SPD den Weg für Koalitionsverhandlungen mit der Union freigemacht. Nach einer emotionsgeladenen Debatte stimmten auf dem Parteitag in Bonn 56 Prozent der 642 Delegierten und Vorstandsmitglieder dafür – eine knappe Mehrheit. „Am Ende war der Wille zur Gestaltung größer“, kommentierte der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun das Ergebnis.

Die Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition können in den nächsten Tagen beginnen und  möglicherweise im Februar abgeschlossen werden. Danach muss aber noch eine hohe Hürde überwunden werden: Die mehr als 440 000 SPD-Mitglieder stimmen über den Koalitionsvertrag ab und haben damit das letzte Wort.

Vor der Abstimmung hatte nahezu die komplette Parteiführung noch einmal das Wort ergriffen und sich für eine Neuauflage der großen Koalition ausgesprochen. Parteichef Martin Schulz sprach von einem „Schlüsselmoment“ in der Geschichte der SPD. Man müsse  nicht um jeden Preis regieren. „Aber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“

Sein schärfster Widersacher Kevin Kühnert hatte an die Genossen appelliert, trotz weitreichender Folgen nicht vor einem Nein zurückzuschrecken. Der Leitspruch des Juso-Chefs für die Abstimmung: „Heute einmal ein Zwerg sein, um künftig wieder Riesen sein zu können.“ Damit spielte er auf eine Aussage des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt an, der den Jusos einen „Zwergenaufstand“ vorgeworfen hatte. „Wer ist Herr Dobrindt?“, kritisierte auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Bemerkung des CSU-Politikers.

In der mehr als vierstündigen Debatte sprach sich eine knappe Mehrheit der etwa 50 Redner für eine große Koalition aus, darunter auch Familienministerin Katarina Barley. Die Schweicher SPD-Politikerin verwies auf die bisherigen Ergebnisse in den Sondierungsgesprächen. Es seien wichtige Ansätze für Familien, in der Arbeitsmarktpolitik und bei den Renten enthalten, sagte Barley.

Die leidenschaftlichste Rede hielt SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Bürger würden der SPD einen Vogel zeigen, wenn sie sich trotz guter Sondierungsergebnisse für eine Neuwahl entscheide, sagte sie. In den Koalitionsverhandlungen könne noch mehr für die SPD herausgeholt werden. „Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite.“

Unter den 642  Delegierten und Vorstandsmitgliedern waren acht Politiker aus der Region  Trier. Der Landtagsabgeordnete Sven Teuber (Trier), der ehemalige Juso-Landes­chef Erik Schöller und der Dauner Kreisvorsitzende Jens Jenssen hatten sich bereits im Vorfeld gegen eine Neuauflage der großen Koalition ausgesprochen. Teuber sagte nach der Abstimmung, er sei jetzt gespannt, „was bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen noch herausgeholt wird“. Der Bitburger SPD-Landtagsabgeordnete Nico Steinbach äußerte sich zufrieden über das Ergebnis. Vieles aus dem SPD-Wahlprogramm finde sich bereits in den Sondierungsergebnissen wieder. CDU-Vize Julia Klöckner sagte, nun könne man zügig in Koalitionsverhandlungen einsteigen. Das sei man den Bürgern schuldig.

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