Zwei Jahre nach Hanau Neun Namen im Mittelpunkt des Gedenkens
Berlin · Kurz vor dem zweiten Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau an diesem Samstag hat der Bundestag der Opfer gedacht und den Hinterbliebenen Solidarität bekundet. Es ging um Lehren und konkrete politische Schritte. Und es kam zum Schlagabtausch zwischen Innenministerin und Opposition.
Neun Namen sind an diesem Mittwoch im Bundestag zu hören. Mehrfach werden sie aufgezählt. Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Es sind die Namen der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags im hessischen Hanau vom 19. Februar 2020. In einer von den Koalitionsfraktionen SPD, Grünen und FDP angemeldeten Aktuellen Stunde gedachte der Bundestag der neun Ermordeten und debattierte über Lehren aus der rechtsextremistischen Terrortat. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begann und schloss ihre Rede mit zwei Worten. „Sie fehlen.“
Es sei einer von „viel zu vielen Gedenktagen für Opfer rechter Gewalt“, sagte Grünen-Co-Chef Omid Nouripour. Man dürfe nicht zulassen, dass diese Menschen zu einer Zahl einer Statistik werden. „Es ist unsere Verantwortung, die Erinnerung hochzuhalten.“ Der FDP-Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser, räumte ein, dass trotz anfänglicher Anteilnahme und finanzieller wie psychologischer Unterstützung in zu vielen Fällen „nicht angemessen und umsichtig genug“ mit den Betroffenen umgegangen wurde und noch immer werde. „Wir müssen besser werden“, mahnte Strasser. Während die AfD die Tat psychologisierte und auf die psyische Krankheits des Täters verwies, bekundete Linken-Co-Chefin Janine Wissler Solidarität mit den Angehörigen der Opfer und den Überlebenden des Anschlags. „Hanau ist kein Einzelfall und rechter Terror kein neues Phänomen“, betonte Wissler.
Neben dem Erinnern widmete sich die Parlamentsdebatte auch den politischen Lehren und nächsten Schritten. Innenministerin Faeser erneuerte ihre Ankündigung, bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorzulegen. Sie werde alles daran setzen, Radikalisierung zu stoppen und rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen. „Wir werden die Finanzströme der Extremisten verfolgen und ihnen ihre Einnahmequellen nehmen. Und wir werden sehr konsequent die Waffen entziehen“, sagte die SPD-Politikerin. Seit ihrem Amtsantritt seien die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes deutlich intensiviert worden und der Druck auf Plattformen wie Telegram erhöht. Faeser vermeldete erste Erfolge im Umgang mit dem Messangerdienst: Von 68 zu löschenden Seiten seien bereis 64 gelöscht worden.
Die Grünen betonten die Notwendigkeit, zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterstützen und auf verstärkte Prävention zu setzen. „Lassen Sie uns gemeinsam die Strukturen und Organisationen stärken, die unerlässliche Bildungsarbeit vor Ort machen und den Betroffenen von rechter, rechtsextremer und antisemitischer Gewalt als Anlaufstelle helfen“, forderte Grünen-Chef Nouripour. Diese Förderung soll im Demokratiefördergesetz verankert werden, an dem Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) und Innenministerin Faeser derzeit arbeiten. Man werde es „schnell auf den Weg bringen“, kündigte Faeser an.
Aus der Opposition kam grundsätzlich Zustimmung zu Faesers Plänen, allerdings gespickt mit einer Mahnung: „Ich warne davor, dem Rechtsextremisten mit linken Scheuklappen entgegenzutreten. Der Rechtsstaat muss neutral sein und jede Form von Extremismus gleichermaßen ablehnen“, sagte Andrea Lindholz (CSU), Vizevorsitzende der Unionsfraktion, unserer Redaktion noch im Vorfeld der Debatte. Die Union und der frühere Innenminister Horst Seehofer (CSU) hätten den Kampf gegen Rechtsextremismus schon 2019 „auf breiter Front“ aufgenommen, so Lindholz. So habe etwa der Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus habe 89 Maßnahmen auf den Weg gebracht. „Angesichts unserer umfangreichen Maßnahmen kann der Aktionsplan von Frau Faeser nur eine Fortsetzung der Politik von Horst Seehofer sein“, sagte die CSU-Politikerin. Im Bundestag kam es zum kurzen Schlagabtausch. Faeser konterte: „Sie sollten endlich dazu übergehen, wenn es um eine Form des Extremismus geht, nicht immer reflexartig den anderen hervorholen.“ Dies sei angesichts des zweiten Jahrestags von Hanau „mehr als unangemessen“, so die Ministerin.
Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Danach tötete er nach Erkenntnissen der Ermittler seine Mutter und anschließend sich selbst. Der Täter besaß als Schütze eine Waffenerlaubnis. In einem Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags werden die Hintergründe der Tat derzeit aufgearbeitet.