Amtsübergabe im Wirtschaftsministerium Von Seehunden, dem neuen Hippie-Minister und riesigen Aufgaben

Analyse | Berlin · Peter Altmaier (CDU) und Robert Habeck (Grüne) haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam, nicht in der Parteizugehörigkeit, nicht im Politikstil. Doch der Eindruck trügt. Bei der Amtsübergabe im Wirtschaftsministerium betonten beide ein lange und lebhafte Gemeinsamkeit. Die warmen Worte sollen auch auf kontroverse Debatten vorbereiten, die noch bevorstehen.

Der scheidende Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU, r.) übergab am Mittwoch formell die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Robert Habeck.   

Der scheidende Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU, r.) übergab am Mittwoch formell die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Robert Habeck.  

Foto: dpa/Odd Andersen

Was haben Peter Altmaier  und Robert Habeck gemeinsam? Die berufliche Station im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), mag man vorschnell antworten. Der Erstgenannte hat diese gerade hinter sich gelassen, der Zweite ist dort frisch angekommen. Doch es gibt eine Gemeinsamkeit, die die beiden Herrn länger und lebhafter verbindet. Es ist das Talent zur Fütterung von  Seehunden.

Die erste Begegnung von Altmaier (CDU) und Habeck (Grüne) auf einer Seehundstation im schleswig-holsteinischen Friedrichskoog muss ein prägendes Erlebnis gewesen sein. Jedenfalls erinnern beide bei der Amtsübergabe im Wirtschaftsministerium an diesem Mittwoch an diesen heißen Sommertag 2012. Altmaier war damals Bundesumweltminister, Habeck bekleidete das gleiche Amt auf Landesebene. Das „Nordlicht Robert Habeck“ sei viel geübter gewesen als er, erzählt Altmaier, und habe den Eimer Heringe verfüttern wollen, eher er zum Zuge kam, „Da habe ich festgestellt, dass wir beide das Talent haben nicht nur zum Seehundfüttern, sondern eben auch die Dinge so zu erläutern und so zu positionieren, dass sie öffentlich bemerkt und diskutiert werden können“, sagt der Ex-Minister.

Zu diskutieren gibt es heute Aufgaben von ganz anderem Kaliber. Es geht um nichts weniger als die Transformation der deutschen Wirtschaft, um den Umbau hin zu einer klimaneutralen Produktion, um den Ausbau von Ökostrom auf satte 80 Prozent bis 2030, wie es der Ampel-Koalitionsvertrag vorsieht. Das sind die Herausforderungen, denen sich Habeck im neuen Amt stellen muss.

Altmaier nutzt seine Abschiedsrede, um hervorzuheben, dass er das Haus in einem guten Zustand hinterlässt. Das Ministerium habe eine „wechselvolle Geschichte“ erlebt, aber man habe sich Respekt zurück erkämpft - besonders in der Corona-Pandemie. Sie sei das „große überwölbende Thema“ dieser Legislaturperiode gewesen, sagt Altmaier. Es sei gelungen, die „Substanz der Volkswirtschaft“ zu erhalten. Altmaier spricht über die Mittelstandsstrategie, über die Batteriezellproduktion und Investitionen in die Chipindustrie, über die Datenstrategie und Start-up-Förderungen. Hier schreibt einer am eigenen Vermächtnis.

Und der neue Minister schreibt daran mit. Habeck lobt Altmaiers Verdienste für das Land, beinahe überschwänglich. Altmaier blicke auf 27 Jahre als Mitglied des Bundestags zurück, habe die politische Verantwortung „grandios“ gemeistert, sagt Habeck. Altmaier habe „Kurs und Richtung“ gehalten. Die warmen Worte sind dem feierlichen Anlass geschuldet. Habeck ist sich aber auch bewusst, dass er sich in diesem Ressort erst das Vertrauen erarbeiten muss.

Er spricht von Kollegialität und vom offenen Ohr, das er als Minister immer haben wolle. Das Gespräch und die Debatte sollten zum „entscheidenden Steuerungs- und Lenkungsinstrument“ in seinem Ministerium etablieren. Parteizugehörigkeiten würden keine Rolle spielen, zumindest keine negative, sagt Habeck. Damit will er auch all jene Ministeriumsmitarbeiter mitnehmen, die noch Vorbehalte haben mögen. Das Wirtschaftsministerium lag in seiner Geschichte in den Händen der CDU, CSU, SPD, FDP und eines parteilosen Ministers. Aber ein Grüner an der Spitze, das gab es noch nie.

Unter Habeck wird das Ministerium um den Bereich Klimaschutz erweitert, auch das ist neu. Der neue Ressortchef spricht von der „großen strukturellen Aufgabe“, die es zu bewältigen gelte. Das werde zu Debatten führen, aber es sei auch eine „wahnsinnige Chance“. Habeck zeichnet große Linien, spricht von der „ehrwürdigen Tradition“ des Ministeriums - „hier, wo die soziale Marktwirtschaft in Deutschland durchgesetzt wurde und wo der Wohlstand dieser Republik erfunden und geschaffen wurde“. Darauf will er aufbauen.

Und ganz so, als wolle er das eigene Pathos brechen, überreicht er Altmaier zum Schluss ein recht profanes Geschenk: ein Armband, das aus den Resten von Fischernetzen aus der Nordsee gemacht ist. Das sei „ein bissen hippie“, gibt Habeck zu. „Aber ich bin ein Minister aus einer Hippie-Partei.“ Altmaier lässt sich das Armband ohne das leisteste Anzeichen des Widerspruchs umbinden. Neue Zeiten.

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