Attacken von Söder und Merz Ukraine-Politik: Union bringt Scholz in die Defensive

Berlin · Kanzler Scholz kontert die heftige Unionskritik an seiner abwägenden Ukraine-Politik: „Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt“, sagt er in einem Interview. Auch Ampelpolitiker springen ihm zur Seite. Doch CDU-Chef Merz erhöht weiter den Druck auf Scholz — und will am Montagabend nach Kiew reisen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 1. Mai auf der Maikundgebung des DGB in Düsseldorf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 1. Mai auf der Maikundgebung des DGB in Düsseldorf.

Foto: dpa/David Young

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigt sich unbeeindruckt von der ungewöhnlich scharfen Kritik der Chefs der beiden Unionsparteien, Friedrich Merz und Markus Söder, an seiner Ukraine-Politik. „Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt“, sagte Scholz der „Bild am Sonntag“. Er machte klar, dass er an seinem abwägenden Kurs festhalten will. „Ich bin nicht ängstlich genug, um mich von solchen Vorwürfen beeindrucken zu lassen.“

Merz hatte dem Kanzler diese Woche mit Blick auf deutsche Waffenlieferungen für Kiew Ängstlichkeit und Zaudern vorgehalten. Der bayerische Ministerpräsident Söder fand am Samstag noch schärfere Worte. Scholz drücke sich davor, der Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten Orientierung zu geben, sagte Söder auf einem kleinen CSU-Parteitag in Würzburg. „Ein solches Zögern, Sich-Verstecken oder Sich-davor-Drücken ist eines deutschen Kanzlers unwürdig.“ Am Donnerstag sei Scholz bei der Bundestagsentscheidung für die Lieferung von Panzern in die Ukraine nicht anwesend gewesen, sondern lieber nach Japan gereist. „Deutschland macht seit Wochen eine peinliche Figur“, klagte Söder.

CDU-Chef Merz erhöht nun den Druck auf Scholz, indem er in der Nacht von Montag auf Dienstag mit dem Zug nach Kiew reisen will. Das Bundeskriminalamt soll dem Oppositionsführer von der Reise in die ukrainische Hauptstadt aus Sicherheitsgründen abgeraten haben, doch Merz hält daran fest und lehnte auch Personenschutz ab. Die symbolische Bedeutung dieser Reise ist klar: Merz macht deutlich, dass auch Kanzler Scholz längst ebenfalls nach Kiew reisen müsste, um dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Unterstützung Deutschlands zuzusichern.

Scholz hatte seine zunächst zögerliche Haltung vergangene Woche aufgegeben. Die Bundesregierung hatte am Dienstag die Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern der deutschen Rüstungsindustrie genehmigt. Sie sind die ersten schweren Waffen, die direkt aus Deutschland in die Ukraine geliefert werden. Vor dem Krieg galt der Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete abzugeben. Am Donnerstag segnete auch der Bundestag die Waffenlieferungen mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Union ab.

In einem Interview mit dem „Spiegel“ hatte der Kanzler allerdings nur wenige Tage zuvor ausweichend bis skeptisch auf die Frage reagiert, ob nun auch Deutschland schwere Waffen ins Kriegsgebiet liefern werde. „Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben“, hatte er gesagt. Auch unabhängige Kritiker werfen ihm daher einen Zickzack-Kurs in seiner Kommunikation vor.

Die Umfragewerte für Scholz sind deutlich gefallen. Doch von Umfragewerten lasse er sich nicht leiten, sagte Scholz jetzt. Bei einem Auftritt auf der Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Sonntag in Düsseldorf sagte Scholz der Ukraine weitere auch militärische Hilfe zu. Kreml-Herrscher Wladimir Putin warf er „Imperialismus“ vor. „Wir werden nicht zulassen, dass mit Gewalt Grenzen verschoben und Territorium erobert wird“, sagte der Kanzler.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte Söder nach dessen Attacken auf Scholz scharf. „Söder macht wie so oft keine Politik, sondern setzt auf Stimmungen. Nach zwei Jahren ohne Volksfeste scheint dem bayerischen Ministerpräsidenten das Gespür dafür abhandengekommen zu sein, dass man auch bei schmissigen Bierzeltreden staatspolitische Verantwortung trägt“, sagte Kühnert unserer Redaktion. „Krawall und Remmidemmi ist in Zeiten des Krieges nicht die richtige Tonlage für einen führenden Politiker“, sagte Kühnert. „Fakt ist: Die Abgeordneten von CDU und CSU haben am Donnerstag im Bundestag den grundsätzlichen Kurs des Bundeskanzlers und seiner Regierung in namentlicher Abstimmung unterstützt. Dass Markus Söder nun zur Generalabrechnung mit der Ukraine-Politik der Ampel ansetzt, ist wenig glaubwürdig und wird auch dadurch unterstrichen, dass er gar keinen konkreten Kritikpunkt äußert“, so der SPD-Politiker.

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP wies die Kritik an Scholz und der Ukraine-Politik der Ampel zurück. „Auf alles, was nach einem taktischen kleinlichen Parteienstreit aussieht, sollte man dieser Tage am besten verzichten“, sagte Buschmann. „Die Ukraine hat jedes Recht, sich gegen den russischen Angriff zu verteidigen. Dabei hat sie unsere entschlossene Unterstützung – nicht nur mit Worten und Diplomatie, sondern auch mit finanzieller Unterstützung und Lieferung von Waffen“, sagte der Minister. „Das hat der Bundeskanzler auch am Wochenende nochmals namens der Bundesregierung betont“, sagte Buschmann.

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