Russland-Bruch sorgt in SPD für Unruhe Um Schröder wird es einsam

Analyse | Berlin · Altkanzler Schröder laufen wegen seiner Putin-Treue die Mitarbeiter davon. Fraktionschef Mützenich wird von der Bundeswehr-Offensive des Kanzlers kalt erwischt. SPD-Star Schwesig büßt massiv Glaubwürdigkeit ein. Die Russland-Krise schüttelt die Sozialdemokraten durch.

  Ziemlich beste Freunde: Die Nähe zu Wladimir Putin, hier bei der Fußball-WM 2018 in Russland, wird für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) zu einem immer größeren Problem. 

 Ziemlich beste Freunde: Die Nähe zu Wladimir Putin, hier bei der Fußball-WM 2018 in Russland, wird für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) zu einem immer größeren Problem. 

Foto: dpa/Alexei Druzhinin

Gerhard Schröder schweigt. Seine Mitarbeiter packen. In einem außergewöhnlichen Schritt hat sich das vierköpfige Team im Bundestagsbüro des Altkanzlers in Berlin aus Protest gegen dessen Nibelungentreue zu Wladimir Putin von ihrem prominenten Arbeitgeber losgesagt. "Ich kann bestätigen, dass die vier Mitarbeiter in dem Büro gebeten haben, wieder in anderen Funktionen zu arbeiten", erklärte am Dienstag Albrecht Funk. Der kluge und besonnene Genosse leitet seit rund 20 Jahren Schröders Büro. Formal sind die Mitarbeiter beim Kanzleramt angestellt und müssen nun an anderer Stelle weiter beschäftigt werden. Den Steuerzahler kostet das Büro rund 400.000 Euro.

Um Schröder wird es einsam. Der 77-Jährige weigert sich trotz ultimativer Aufforderungen aus der SPD-Spitze, seine Aufsichtsratsposten bei den russischen Energiekonzernen Rosneft und bei der Gaspipeline-Betreiberfirma Nord Stream aufzugeben. Andere aktive und ehemalige Spitzenpolitiker in ganz Europa haben lukrative Mandate in Putins Wirtschaftsreich geopfert. Große Konzerne wie BP und Shell trennen sich von Unternehmensbeteiligungen in Russland. Schröder fällt der Bruch mit seinem Freund im Kreml schwer, den er einst als „lupenreinen Demokraten“ adelte. Finanziell könnte es sich der Altkanzler leisten. Allein sein Rosneft-Engagement soll ihm jährlich mehrere 100.000 Euro Salär einbringen. Rosneft landete bereits 2014 nach der russischen Annektion der Krim auf einer EU-Sanktionsliste. In diesem Sommer soll Schröder außerdem in den Gazprom-Aufsichtsrat einziehen. Ob es dazu noch kommt? Frankreichs Ex-Präsident François Hollande kritisiert Schröder scharf. "Niemandem ist es verboten, Geschäfte zu machen, aber man ist nicht verpflichtet, mit dem zu Teufel speisen, auch nicht mit einem langen Löffel", sagte der Sozialist der „Zeit“.

Zunächst hatte Schröder der Ukraine „Säbelrasseln“ vorgeworfen. Dann forderte er letzte Woche ein „schnellstmögliches Ende“ des Kriegs in der Ukraine. Dafür trage die russische Regierung die Verantwortung. Beide Seiten - sowohl der Westen als auch Russland - hätten jedoch „viele Fehler“ gemacht. Trotz notwendiger Sanktionen sollten politische und wirtschaftliche Beziehungen „nicht gänzlich“ gekappt werden. Als lupenreine Distanzierung von Putin verstand das niemand. Seinen Mitarbeitern reichte es. Auch Parteichef Lars Klingbeil, dessen Aufstieg Schröder massiv förderte, und weitere Spitzengenossen sagten sich los.

Schröder ist aber nicht der einzige in der SPD, der mit der neuen Weltlage und der Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik seine liebe Mühe hat. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig strotzte nach ihrem 40-Prozent-Wahlsieg bei der Landtagswahl im vorigen Herbst vor Kraft. Das ist vorbei. Schwesig hat wegen ihrer lange offensiv gepflegten Russland-Nähe nun ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Obwohl sie wegen einer Krebsnachsorge derzeit nicht im Dienst ist, kündigte sie per Twitter eiligst an,  dass die für den Bau der von Scholz gestoppten Gas-Pipeline Nordstream 2 gegründete Landes-Stiftung aufgelöst werden soll. Die heftig umstrittene Stiftung, die Schwesig stets als Beitrag für Klima- und Umweltschutz verbrämte, erhielt von Nordstream/Gazprom 10 Millionen Euro. Schwesig wehrt sich gegen Vorwürfe, in Schwerin säßen nur Putin-Versteher. „Ich will sehr deutlich sagen: Das ist Unsinn. Ich habe niemals ein Gespräch mit Präsident Putin geführt oder sein Vorgehen gegen die Ukraine unterstützt.“ Putin müsse den Krieg umgehend stoppen und sich aus der Ukraine zurückziehen. Der ukrainische Botscher in Berlin, Andrij Melnyk, kauft der SPD-Politikerin den plötzlichen Sinneswandel nicht ab. Der „letzte Hund auf den Straßen von Schwerin“ wisse, dass Schwesigs Klimastiftung eine „Lüge“ gewesen sei, um Putins Gasprojekt Nord Stream 2 vor US-Sanktionen zu bewahren, so Melnyk.

Angekratzt ist die Autorität von Rolf Mützenich. Der Chef der Bundestagsfraktion bekräftigte noch am Freitag im Deutschlandfunk seine bekannte Skepsis am nuklearen Abschreckungskonzept der Nato bekräftigt. Das Zwei-Prozent-Ziel der Militärallianz hält der erfahrene Außen- und Friedenspolitiker für einen gefährlichen US-Fetisch. „Die Abschreckung hat offensichtlich auch nicht so gewirkt, wie deren Verfechter immer wieder gesagt haben.“ Auch bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr konnte er nichts abgewinnen. Die Standpunkte des Kölners und aufrichtigen Friedenspolitikers wurden am Sonntag von der Regierungserklärung des Kanzlers mit dem 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr quasi hinweggefegt. Was Mützenich, neben der Wut auf Putin,  besonders wurmt: Scholz weihte ihn zwar vorab in seine Pläne ein. Von der gigantischen Summe und dem donnernden Ja des Kanzlers zum Nato-Ziel erfuhr der Fraktionschef jedoch nichts.

(tb)
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