CDU und CSU Die größten Baustellen für die Union im Bundestagswahlkampf

Analyse | Berlin · Rund vier Monate vor der Bundestagswahl und drei Monate vor Beginn der Briefwahl stehen CDU und CSU ohne Wahlprogramm und ohne Wahlkampfteam da. Als wäre das nicht genug, hat die Union noch weitere Probleme zu bewältigen, nicht nur im Osten. Für Kanzlerkandidat Armin Laschet mangelt es nicht an Herausforderungen.

Vier Monate vor der Wahl steht die Union ohne Wahlprogramm und ohne Wahlkampfteam da: Auf Kanzlerkandidat Armin Laschet erhöht das den Druck.

Vier Monate vor der Wahl steht die Union ohne Wahlprogramm und ohne Wahlkampfteam da: Auf Kanzlerkandidat Armin Laschet erhöht das den Druck.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Seit einem Monat steht CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union fest. Die größte Aufregung nach dem offenen Machtkampf mit CSU-Chef Markus Söder hat sich inzwischen gelegt. Doch von einem vereinten Wahlkampf von CDU und CSU kann keineswegs die Rede sein, vielmehr halten die Sticheleien aus München - mal mehr, mal weniger subtil - weiter an. Und überhaupt, Wahlkampf? Noch hat die Union offene Flanken, sowohl was die inhaltliche als auch die personelle Aufstellung für das Wahljahr angeht. Dabei steht in weniger als drei Wochen, am 6. Juni, mit der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt die nächste Bewährungsprobe bevor. Ein Überblick über die zentralen Baustellen der Union

Hans-Georg Maaßen, der problematische Kandidat im Osten

Seit die CDU im südthüringischen Suhl Hans-Georg Maaßen zu ihrem Direktkandidaten für den Bundestag gewählt hat, prägt der ehemalige Verfassungsschutzpräsident die Schlagzeilen. Derzeit steht die Frage im Raum, ob Maaßen ein Antisemit ist. Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer hatte diesen Vorwurf erhoben und ihn unter anderem mit Maaßens Verwendung „problematischer Begriffe“ in den sozialen Medien begründet. Im jünsten ProSieben-Interview nahm CDU-Chef Laschet diesen in Schutz: „Ich habe ihn bisher nicht als Antisemiten wahrgenommen.“ Für einen „so harten Vorwurf“ brauche man andere Belege, befand Laschet. Doch das innerparteiliche Problem ist damit längst nicht aus der Welt geschafft. Maaßen polarisiert: Die einen halten ihn für den Heilsbringer gerade im Osten, wo sich die CDU gegen eine starke AfD behaupten muss, und Maaßens streng konservatives Profil verfängt. Die anderen sehen ihn keineswegs als Stimmengarant und halten Maaßens Verbindungen ins rechte Lager für höchst problematisch. Die Causa Maaßen fördert damit ein tiefer liegendes Profil der CDU zutage, das sich nicht nur kurz vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zuspitzt: Auf der einen Seite die Sehnsucht nach einem klar erkennbaren und scharf konturierten Konservatismus, auf der anderen Seite das Bedürfnis nach einem liberalen Mitte-Kurs, der die Herausforderungen der Zeit durch Vermittlung statt Zuspitzung löst. Beide Seiten zu befrieden, ist eine von Laschets zentralen Herausforderungen.

Sticheleien von CSU-Chef Markus Söder

Rund 330 Kilometer südlich von Suhl sitzt ein weiteres Problem für Armin Laschet: Markus Söder und dessen emsige CSU in München. Auch mehr als vier Wochen nach der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur reißen deren Seitenhiebe in Richtung Berlin nicht ab. So stellte Söder kürzlich Friedrich Merz als Kandidat von gestern dar: Dessen „Erfahrung insbesondere aus den 90er Jahren“ werde der Union sicher helfen, spottete Söder. Pikant deswegen, weil Merz bisher als einziger Name in Laschets Wahlkampfteam gesetzt ist. Dieser revanchierte sich nun, indem ein Ende der Reibereien verlangte. Das Miteinander von CDU und CSU müsse in einem „kontrollierten Antagonismus, also in einer Unterschiedlichkeit, die trotzdem zusammenpasst“ bestehen bleiben, betonte Merz gegenüber der „Welt am Sonntag“. Söder jedenfalls lässt keinen Zweifel daran, dass er seinen Kurs nach wie vor für „etwas progressiver“ hält als Laschets, wie er kurz nach der K-Entscheidung der „Süddeutschen“ sagte. Seine jüngste Volte bezog sich auf das noch ausstehende Wahlprogramm. Laut Söder werde es ein echt „schweres Regierungsprogramm“, das er mit einem Flugzeugträger verglich. Die CSU wolle daneben noch ein „Schnellboot“ mit „speziellen Mobilisierungsideen“ vorlegen. Damit bestätigt der Söder einen altbekannten Eindruck: An bayerischem Selbstbewusstsein fehlt es der CSU nicht.

Das Wahlprogramm fehlt, die Wahl rückt näher

Der CSU-Chef trifft damit aber auch einen wunden Punkt. In wenig mehr als vier Monaten findet die Bundestagswahl statt, in rund drei  Monaten beginnt bereits die Briefwahl - doch die Union steht im Gegensatz zu SPD, Grünen oder FDP noch ohne Wahlprogramm da. Anders als bei früheren Wahlen sollte es diesmal einen gemeinsamen Aufschlag von CDU und CSU geben. Dieses Vorhaben wird nun von Söders „Schnellboot“-Ankündigung zerschossen. In CSU-Kreisen will man dies jedoch nicht als Problem verstanden wissen: Es sei doch ganz normal, dass man sich in Bayern selbst in Stellung bringe, heißt es. Die CSU will damit auch untermauern, dass sie ein wichtiger Stimmengarant für die gesamte Union bei der Wahl ist. Zugleich jedoch wird deutlich, dass innerhalb der CSU der Wunsch nach einem „Bayernplan“ wächst, in der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag pocht manch einer auf eine eigene Positionierung. Als zeitlicher Fahrplan jedenfalls ist vorgesehen, dass die Spitzen von CDU und CSU Mitte Juni bei einer Klausur das Wahlprogramm festzurren. Am 20. und 21. Juni wollen sich die Präsidien in Berlin treffen, um das gemeinsame Programm zu erstellen. Derzeit werden die Inhalte auf Ebene der Generalsekretäre abgestimmt. Sowohl in den Reihen der CDU als auch der CSU kommt das Programm vielen deutlich zu spät. CSU-Generalsekretär Markus Blume sieht dagegen keinen Grund zur Unruhe. „Wir liegen komplett im Plan. Aktuell liegt das Hauptaugenmerk auf der Corona-Bekämpfung, ab Ende Juni ist dann noch genügend Zeit für Wahlkampf“, sagte er unserer Redaktion. Am kommenden Donnerstag hält die CSU eine virtuelle Basiskonferenz ab, die den Auftakt für die Mitgliederbeteiligung an der Programmarbeit darstellt. Auch Armin Laschet wird dort virtuell zu Gast sein.

Unruhe an der Basis

Ein polarisierter Wahlkampf im Osten, die Sehnsucht nach einer Extrawurst in Bayern - für Armin Laschet mangelt es nicht an Herausforderungen. Immerhin wird dem CDU-Chef die Fähigkeit nachgesagt, zu integrieren und zu versöhnen. Anders als seine früheren Konkurrenten Merz und Söder meidet Laschet die provozierende Ansprache und versucht stattdessen, die Union durch Ruhe und Ausgleich zusammenzuführen. Dabei dürfte sein eigener Alltag derzeit alles anders als ruhig aussehen: Laschet „tourt“ in digitalen Formaten durch die verschiedenen Parteigruppierungen und Landesverbände und wirbt um Geschlossenheit. Diese parteiinterne Arbeit kostet jedoch Zeit - und so wird sowohl in CDU- als auch in CSU-Reihen kritisiert, dass Laschet nach außen zu wenig präsent sei. Immerhin: Innerhalb der Unions-Bundestagsfraktion hat sich der offene Missmut seit Laschets Kür zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten wieder beruhigt. Auch wenn es während des offenen Wettkampfes viele Söder-Befürworter in der Fraktion gab, reiht man sich nun hinter Laschet ein. Für viele Abgeordnete liegt nun der Fokus darauf, im eigenen Wahlkreis um Zustimmung zu werben. Schließlich treibt angesichts der schwachen Umfragewerte viele die Sorge um, nach der nächsten Wahl wieder ins Parlament einzuziehen.

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Unzufriedenheit mit dem Corona-Management

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