Wirtschaftsminister senkt Wachstumsprognose Habeck: Dreht Putin uns den Gashahn zu, droht Rezession

Berlin · Wirtschaftsminister Habeck senkt die Wachstumsprognose, erwartet aber immer noch einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 2,2 Prozent im laufenden Jahr – trotz des Ukraine-Krieges und seiner Folgen. Doch sollte Wladimir Putin Deutschland den Gashahn zudrehen, droht eine Rezession.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Wachstumsprognose der Regierung wegen des Ukraine-Krieges deutlich gesenkt. Habeck erwartet jetzt nur noch ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, 1,4 Prozentpunkte weniger als noch im Januar. Für 2023 rechnet der Minister mit 2,5 Prozent Wachstum. Er wies allerdings auf die hohe Unsicherheit dieser Prognose hin, die selten größer gewesen sei als heute. In der neuen Vorhersage sei etwa ein russischer Gas-Lieferstopp nicht enthalten. Komme es dazu, bedeute das für die deutsche Wirtschaft eine Rezession. Die Regierung arbeite weiter intensiv daran, Deutschland so schnell wie möglich unabhängiger von russischer Energie zu machen, so Habeck.

Deutschland werde wegen des Kriegs und der Unterstützung für die Ukraine einen Preis bezahlen müssen, sagte der Minister und Vize-Kanzler. Die russische Invasion bedeute höhere Energiepreise, mehr Inflation und abgebremstes Wachstum. „Deutschland wird buchstäblich ärmer“, sagte Habeck. Es sei unmöglich und auch nicht erstrebenswert, dass der Staat alle Kosten vollumfänglich kompensiere, „weil wir Preissignale brauchen“. Aber die Regierung tue ihr Mögliches, mit zwei Entlastungspaketen die schlimmsten Auswirkungen vor allem für kleine und mittlere Einkommen zu lindern.

Habeck rechnet in der Prognose mit einer Inflationsrate von 6,1 Prozent im laufenden Jahr. 2023 soll sie auf 2,8 Prozent zurückgehen. Die Zahl der Erwerbstätigen werde noch einmal um rund 100.000 von 45,4 Millionen im laufenden Jahr auf 45,5 Millionen im kommenden Jahr zunehmen. Die Arbeitslosenquote sieht Habeck stabil bei fünf Prozent in beiden Jahren. Als Gründe für diese unter den aktuellen Umständen noch gute Prognose nannte der Minister einen hohen Auftragsüberhang von 100 Milliarden Euro in den Büchern der Industrie. Zudem hätten Verbraucherinnen und Verbraucher rund 200 Milliarden Euro in der Corona-Pandemie angespart, die sie ausgeben könnten.

Russland hatte am Mittwoch den Stopp von Gaslieferungen an Polen und Bulgarien angekündigt. Sollte Kriegsherr Wladimir Putin auch Deutschland den Gashahn abdrehen, müsste die Regierung mit „kluger Staatskunst“ auf die dann drohende Rezession reagieren, so Habeck. Dazu zählte er nicht in erster Linie weitere Entlastungen, denn die könnten die Nachfrage und damit die Preise weiter anheizen. Habeck stellte vielmehr die Bedeutung seiner Unternehmenshilfen heraus, die die Investitionen stützen sollten. In der Prognose geht der Minister derzeit trotz des Krieges noch von einem ordentlichen Zuwachs bei den Bruttoanlageinvestitionen von 3,4 Prozent in diesem Jahr und 4,6 Prozent im kommenden Jahr aus.

Nach dem Gas-Lieferstopp für Polen und Bulgarien steht Habeck noch einmal stärker im Mittelpunkt deutscher Politik: Er muss das Land noch schneller unabhängig von russischen Energielieferungen machen als ohnehin. An diesem Mittwoch könne er verkünden, dass der Bedarf derzeit nur noch zu 35 Prozent mit russischem Gas gedeckt werde, sagte Habeck. Vor Beginn des Krieges am 24. Februar war Deutschland noch zu 55 Prozent von russischem Gas abhängig. Habeck setzt auf das rasche Befüllen der Gas-Speicher, den schnellen Bau von LNG-Terminals für Flüssiggas, mehr Gas aus Ländern wie Norwegen sowie auf mehr Energieeffizienz.

Beim Öl wäre ein Lieferstopp durch den Kreml bereits jetzt „händelbar“, sagte Habeck. Allerdings hätte er deutliche Preissteigerungen an den Zapfsäulen zur Folge. Bei der Steinkohle könne Deutschland das von der EU verkündete Embargo gegenüber Russland jetzt schon einhalten.

Deutschland und die EU dürften sich von Putin durch einen Lieferstopp nicht erpressen lassen, betonte Habeck. Der Kreml-Herrscher wolle Europa zwingen, das Gas künftig in Rubel statt in Euro zu bezahlen, um seinen Krieg besser finanzieren zu können. „Europa wird seine Zahlungen in Euro leisten, nicht in Rubel“, sagte Habeck. „Bangemachen durch Putin gilt nicht.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort