Neue US-Botschafterin Was Biden mit der Gutmann-Personalie signalisiert

Berlin · Mit Spannung war in der Welt der Spitzendiplomatie die Antwort auf die Frage erwartet worden, wen US-Präsident Joe Biden als seinen Botschafter nach Deutschland schickt. Es ist keine der erwarteten Personen, sondern die erste Frau auf diesem Posten: Amy Gutmann hat deutsche Wurzeln.

 Amy Gutmann 2016 neben dem damaligen Vizepräsidenten Joe Biden bei einer Veranstaltung in Philadelphia.

Amy Gutmann 2016 neben dem damaligen Vizepräsidenten Joe Biden bei einer Veranstaltung in Philadelphia.

Foto: dpa/Ed Hille

Den Anfangsbuchstaben haben sie gemeinsam, der ausgeschiedene letzte US-Botschafter Richard Grenell und seine designierte Nachfolgerin Amy Gutmann. Aber alles andere ist so verschieden, dass es den Anschein hat, als habe US-Präsident Joe Biden nach dem genauen Gegenteil von Grenell gesucht, um seine Abkehr von der Politik Donald Trumps an symbolisch herausragender Stelle unter Beweis zu stellen.

Grenell war ein undiplomatischer Polterer, der das Amt eines Botschafters missverstand als Gelegenheit zum Polarisieren. Die Reaktionen in Deutschland verwandelten sich vom ersten gedämpften Verschnupftsein zum fassungslosen Entsetzen und mündeten in den Wunsch, dieser Mann möge baldmöglichst wieder abgezogen werden. Grenell startete 2018 mit einer Warnung an deutsche Unternehmer vor einer Kooperation mit dem Iran, drohte mit dem Abzug von US-Truppen, wenn sich Deutschland nicht den Wünschen Trumps beuge und legte mit dem Hinweis auf Sanktionen nach, wenn es beim deutsch-russischen Gaspipeline-Projekt bleibe. Im Juni 2020 wechselte Grenell zurück in die USA, seitdem wird der Posten kommissarisch von den jeweiligen US-Gesandten wahrgenommen.

Das könnte sich bald ändern, wenn die 71jährige Politikwissenschaftlerin Gutmann die nötigen Zustimmungsverfahren im Senat durchlaufen hat. Noch ist sie nicht offiziell gegenüber dem US-Kongress nominiert. Doch die inzwischen vorliegende Vorab-Anfrage in Deutschland macht den Wunsch Bidens offensichtlich. Vermutlich wird er vor dem Besuch Angela Merkels im Weißen Haus Mitte Juli Nägel mit Köpfen machen.

Gutmann ist zwar auch kein diplomatischer Profi, und sie gehört auch nicht zum Kreis der Wahlkampf-Unterstützer, die für ihren Einsatz üblicherweise mit wichtigen Botschafterposten abgefunden werden. Sie ist auch keine Expertin für Deutschland oder die amerikanisch-deutschen Beziehungen. Doch die Vita ihrer Familie symbolisiert mehr als es in allen Expertise-Überlegungen Ausdruck finden könnte. Ihr Vater stammt aus Deutschland und flüchtete als Jude rechtzeitig vor dem Holocaust 1934 zunächst nach Indien, dann nach New York. Dort heiratete er, und dort wurde 1949 auch seine Tochter Amy geboren.

Sie kam über ihre Kindheit in Brooklyn, über das Politikstudium an der London School of Economics, über die Promotion in Harvard und ihre Professur in Princeton auf den Posten der mutmaßlich höchstbezahlten Universitätspräsidentin einer der renommiertesten Hochschulen der Welt, der University of Pennsylvania, kurz UPenn. Eine besondere Nähe zu Biden war bislang nicht bekannt. Lediglich in der Zeit Bidens als Vizepräsident unter Barack Obama arbeitete sie für die Regierung in einer Bioethik-Kommission.

So ist eine Botschafterin Gutmann selbst die wichtigste Botschaft: Dass Biden es ernst ist mit der Wiederherstellung des guten Verhältnisses zwischen den USA und den wichtigsten europäischen Partnern. Jedenfalls fiel die interne Anfrage zur Herstellung des Einvernehmens zeitlich zusammen mit dem Antrittsbesuch von US-Außenminister Antony Blinken in Berlin. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass dieser Deutschland bei dieser Gelegenheit besonders herausstellte, indem er betonte, die USA hätten auf der Welt „keinen besseren Freund“.

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