Lohnlücke von 19 Prozent Weltfrauentag: Frauen fordern gleiche Bezahlung und Abschaffung des Ehegattensplittings

Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern betrug 2019 weiterhin 19 Prozent. In der Corona-Krise dürfte sie nicht kleiner geworden sein. Auch die Kanzlerin beklagt das anlässlich des Weltfrauentags am 8. März. Die Grünen und führende Ökonominnen fordern die Abschaffung des Ehegattensplittings, weil es die Karrieren von Frauen behindere.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Führende Politikerinnen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen haben anlässlich des Weltfrauentags am 8. März die weiterhin erheblichen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen beklagt. „Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Podcast am Samstag. Zuletzt kamen Frauen laut Bundesagentur für Arbeit (BA) im Mittel auf über 440 Euro im Monat weniger als Männer. Auf dem Jobmarkt traf die Corona-Pandemie Frauen teils noch härter als Männer.

Die durchschnittliche Lohnlücke (englisch: „Gender Pay Gap“) betrug 2019 in Deutschland — vor dem Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020 — noch immer rund 19 Prozent. Der deutsche „Gender Pay Gap“ ist nach einer vergangene Woche veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auch dann einer der höchsten in Europa, wenn er nur mit Ländern verglichen wird, die eine ähnlich hohe Frauenerwerbsquote von rund 70 Prozent haben.

Die Lohnlücke beschäftigte die Politik seit Jahrzehnten, doch sie schließt sich kaum. Arbeitgeber machen für die Unterschiede regelmäßig Faktoren wie Berufsunterbrechungen durch Babypausen, die höhere Teilzeitquote von Frauen, ihre Tätigkeit in schlechter bezahlten Branchen wie den Sozial- und Gesundheitsberufen verantwortlich. Nach aktuellen Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sei nur ein minimaler Anteil von 0,5 Prozent der Lohnlücke nicht mit diesen Faktoren zu erklären und damit möglicherweise auf eine Diskriminierung von Frauen durch Arbeitgeber zurückzuführen.

Doch Ökonominnen und Politikerinnen geben sich damit nicht zufrieden. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer erklärt die Unterschiede auch mit dem Ehegattensplitting. „Studien zeigen, dass das Ehegattensplitting Frauen davon abhält, verstärkt erwerbstätig zu sein. Das behindert ihre Karriere und ihre Verdienstmöglichkeiten“, sagte Schnitzer. „Das wiederum reduziert ihre Rentenansprüche im Alter und stellt sie vor Riesenprobleme im Falle einer Scheidung. Ich bin deshalb für die Abschaffung des Ehegattensplittings“, erklärte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR).

Auch die führende Gender-Expertin am DIW, Katharina Wrohlich, lässt die Argumente der Arbeitgeber nicht gelten. „Es ist ja nicht so, dass alle Frauen freiwillig auf Führungspositionen verzichten oder in Teilzeit arbeiten. Sie treffen ihre Entscheidungen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Erwartungen und den Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die hohe Teilzeitquote unter Frauen geht häufig auf tradierte Rollenmuster, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, das Ehegattensplitting und weitere Faktoren zurück“, sagte sie.

Der geringe Frauenanteil in Führungspositionen liege unter anderem an vielerorts nach wie vor männlich geprägten Führungsstilen und Arbeitsumfeldern. „Die Ungleichheit bei der Bezahlung liegt in diesen anderen Ungleichheiten begründet. Wer diese Ungleichheiten ausklammert und dann sagt, den Gender Pay Gap gebe es kaum beziehungsweise er sei in Wahrheit viel geringer, der macht es sich zu einfach“, sagte Wrohlich.

„Wir müssen darauf achten, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass wir in manch schon überwunden geglaubtes Rollenmuster zurückfallen“, sagte Merkel in ihrem Podcast vom Samstag. Viele seien im Spagat zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung und Beruf. Allerdings hatte sich die Kanzlerin in den ersten Jahren ihrer Amtszeit nicht als frauenpolitische Vorkämpferin hervorgetan.

Die Chefin der NRW-Grünen, Monika Neubaur, und die DGB-Vorsitzende in NRW, Anja Weber, fordern in einem gemeinsamen Aufruf, die Lohnlücle durch bessere Tarifverträge endlich zu schließen.„Die Corona-Krise hat wie unter einem Brennglas gezeigt, dass wir hier noch lange nicht am Ziel sind: Frauen halten den Laden am Laufen – im Job und zu Hause. Und trotzdem ziehen sie häufig den Kürzeren. Es sind in dieser beispiellosen Krise erneut überproportional Frauen davon bedroht, als wirtschaftliche und soziale Verliererinnen hervorzugehen“, schreiben sie. Vor allem Frauen arbeiteten in unterbezahlten Berufen, die zugleich systemrelevant sind. Im Lebensmitteleinzelhandel, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten oder Vorschulen. Ohnehin arbeite fast jede dritte abhängig beschäftigte Frau in NRW zu einem Niedriglohn – also unter 11,21 Euro die Stunde. Schon vor der Krise hätten Frauen 2019 täglich 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit verwendet als Männer. Bei Paaren mit Kindern lag diese Lücke bei 83 Prozent.

Die Corona-Krise sei ein Brandbeschleuniger für die Ungleichheit auf der Gehaltsabrechnung, die dringend beendet werden müsse. „Eine Möglichkeit, diesen effektiv einzudämmen, sind Tarifverträge. Durch sie fällt die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern deutlich kleiner aus. Dazu bringen sie höhere Gehälter, Sonderleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld und bessere Arbeitszeitregelungen“, so Weber und Neubaur.

Nordrhein-Westfalens Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) sieht das Land wenigstens bei der Besetzung von Führungspositionen im öffentlichen Dienst auf gutem Weg. „In allen Teilbereichen ist gegenüber 2012/2013 der Frauenanteil in Führungspositionen gestiegen, am deutlichsten im Bereich der Finanzverwaltung: Hier hat sich der Anteil in der Zeit von 2012 bis 2018 um 11,6 Punkte auf 44,8 Prozent erhöht. Also: Wir kommen voran“, sagte sie.

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