Pläne von Cem Özdemir Verbände verteidigen geplantes Werbeverbot für Süßwaren

Berlin · Die Pläne des Ernährungsministers, die an Kinder gerichtete Werbung für Junkfood per Gesetz einzudämmen, sorgen für Kritik. Zuspruch gibt es von den Experten aus Wissenschaft, Gesundheitswesen und Verbraucherschutz. Wie sie auf den Widerstand reagieren.

Wenn es nach Ernährungsminister Cem Özdemir geht, sollen bunte Lollies und Lutscher schon bald in der Werbung für Kinder nicht mehr zu sehen sein.

Wenn es nach Ernährungsminister Cem Özdemir geht, sollen bunte Lollies und Lutscher schon bald in der Werbung für Kinder nicht mehr zu sehen sein.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Mehr gesunde Kinder durch weniger ungesunde Produkte in der Werbung – so lassen sich die Pläne von Ernährungsminister Cem Özdemir in Kürze zusammenfassen. Der Grünen-Politiker will die an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz begrenzen. Die Punkte, die er für einen Gesetzentwurf dazu vorlegte, sollen in der Bundesregierung weiter abgestimmt werden. Doch schon jetzt sorgt Özdemirs Vorhaben für viel Kritik – vor allem aus der Werbewirtschaft und Lebensmittelindustrie. Gleichzeitig befürworten Experten aus Wissenschaft, Gesundheitswesen und Verbraucherschutz die Pläne des Ernährungsministers. Vertreter zahlreicher Verbände verteidigten am Donnerstag in Berlin das geplante Werbeverbot und ordneten die Kritik ein.

„Diese Werbung macht Kinder krank“, sagte Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin. Deshalb sei der Gesetzentwurf ein entscheidender Schritt zum Schutz der Kindergesundheit. Übergewicht bei Kindern sei eine „Zeitbombe“, wie der Kinder- und Jugendarzt betonte. Bei über 80 Prozent bleibe das Übergewicht, das im Kindesalter auftritt, bis in das Erwachsenenalter bestehen. Die Folge: anhaltende Gesundheitsschäden und beeinträchtigte Lebenschancen. Deshalb braucht es laut Koletzko „dringend wirksamere Präventionsmaßnahmen mit Beginn im Kindesalter“.

Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie kritisierte hingegen, dass keine wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Werbeverboten auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht existieren. Koletzko ist anderer Meinung: Erfahrungen aus anderen Ländern hätten bereits gezeigt, dass solche Werbebeschränkungen wirksam seien. Unter anderem belege eine Studie über die Auswirkungen des 2019 eingeführten Werbeverbots für Junkfood im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs in London das Potenzial solcher Beschränkungen: Demnach sei die Zahl der Menschen mit Adipositas um 95.000 Fälle gesunken – ein Rückgang von 4,8 Prozent. „Wenn die Werbeindustrie sagt, Werbung habe keinen Einfluss, dann sollte sie sich fragen, warum sie Milliarden dafür ausgibt?“, hinterfragte auch Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Doch nicht nur die Verbände befürworten eine Regulierung. Die Familienstudie des AOK-Bundesverbandes zeigt, dass sich 80 Prozent der Eltern klare Vorgaben von der Politik an die Lebensmittelindustrie wünschen. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre hat Vorstandsvorsitzender Carola Reimann zufolge eins gezeigt: „Freiwillige Verpflichtungen bringen nichts.“

Nichtsdestotrotz bleibt es die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder gesund zu ernähren. Koletzko betonte die Relevanz dieser Verantwortung, doch er weiß auch um die Überforderung vieler Eltern. Deshalb könne das geplante Werbeverbot nur eine von vielen Maßnahmen sein. Die Verbände rechnen nicht zuletzt mit großen Auswirkungen eines Werbeverbots: „Wenn man nur gesünderen Produkte bewerben kann, dann werden Unternehmen solche Produkte auch vermehrt auf den Markt bringen“, sagte Koletzko mit Verweis auf den Marktführer für Limonade, der den Zuckergehalt seines Getränks in England halbiert hat, um es dort weiterhin bewerben zu können.

(jus/dpa)
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