Arbeitsgruppen von SPD, Grünen und FDP müssen bald liefern Woche der Wahrheit für die Ampel-Verhandlungen

Berlin · Noch gut eine Woche haben knapp 300 Politiker von SPD, Grünen und FDP Zeit, um in 22 Arbeitsgruppen das Fundament für einen Ampel-Koalitionsvertrag zu legen. Über allen Plänen schwebt wie ein Damoklesschwert fehlendes Geld. Gebannt schauen die Verhandler auf die neue Steuerschätzung, die vor der Tür steht.

 Wollen nach Nikolaus eine Regierung bilden: Grünen-Chef Robert Habeck (l-r), die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Christian Lindner, Fraktions- und Parteivorsitzender der FDP.

Wollen nach Nikolaus eine Regierung bilden: Grünen-Chef Robert Habeck (l-r), die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Christian Lindner, Fraktions- und Parteivorsitzender der FDP.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

So verschwiegen waren Koalitionsverhandlungen lange nicht mehr. Obwohl seit einigen Tagen 290 Frauen und Männer von SPD, Grünen und FDP in 22 Arbeitsgruppen über den Grundlagen eines gemeinsamen Koalitionsvertrags brüten, ist bislang so gut wie nichts Substanzielles nach außen gedrungen. Für das angestrebte Ampel-Bündnis unter Führung eines Kanzlers Olaf Scholz (SPD) könnte das ein gutes Omen sein. Denn 2017 waren die Jamaika-Sondierungen nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligter in Union, Grünen und FDP auch an Geschwätzigkeit und Bruch von Vertraulichkeit gescheitert. Täglich kursierten damals Papiere, Pläne und Zahlen. Sondierungsteilnehmer schickten dutzendfach SMS herum oder trafen sich mit Journalisten heimlich auf Toiletten, um über die Gegenseite zu lästern. Derartige Foulspiele sind zwischen SPD, Grünen und FDP ausgeblieben.

Bis zum 10. November sollen die Arbeitsgruppe Ergebnisse abliefern. Bereits an diesem Mittwoch könnten die Generalsekretäre Lars Klingbeil (SPD), Michael Kellner (Grüne) und Volker Wissing (FDP) aber unter Umständen zusammenkommen, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Eine offizielle Bestätigung oder gar eine Einladung zu einem Presseauftritt gab es dazu noch nicht. So könnte geschaut werden, welche AGs gut unterwegs sind und womöglich vor dem 10. November Resultate abliefern und welche Fachgruppen sanften Druck von oben benötigen. Wie zu hören ist, sollen die AGs sich auf das Wesentliche beschränken und ihre Ergebnispapiere auf fünf Seiten beschränken.

Wie ein Damoklesschwert schwebt über den 290 Verhandlern der knappe finanzielle Spielraum einer kommenden Bundesregierung.  Mehr Klarheit dazu wird es spätestens am Donnerstag kommender Woche geben. Dann präsentiert Noch-Finanzminister Scholz die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung. Experten rechnen damit, dass die Zahlen für dieses Jahr etwas besser als in der Mai-Schätzung vorhergesagt ausfallen können. Auch 2022 könnten sich die Steuereinnahmen besser als erwartet entwickeln. Allerdings hatte der geschäftsführende Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zuletzt einen Dämpfer parat. Er senkte die Prognose der Regierung für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr von 3,5 auf 2,6 Prozent. Lieferengpässe und hohe Energiepreise machen den Unternehmen zu schaffen. Da die Konjunkturprognose Grundlage für die Steuerschätzung ist, herrscht bei de Ampel-Experten eine gewisse Verunsicherung, was den Ausblick auf die neue Legislaturperiode angeht.

Zuletzt knirschte es in der Steuer- und Finanzpolitik erstmals zwischen den Spitzenleuten. So wies FDP-Chef Christian Lindner am Wochenende den Vorwurf von SPD und Grünen zurück, Steuerentlastungen für Mittelstand und Geringverdiener scheiterten an der FDP. Es sei „ein Mythos, dass eine Entlastung der arbeitenden Mitte nur mit kompensatorischen Steuererhöhungen anderswo finanzierbar wäre“. Scholz und Grünen-Chef Robert Habeck hatten zuvor erklärt, wegen der strikten Ablehnung von Steuererhöhungen durch die FDP gebe es absehbar keine Spielräume für im Wahlkampf von ihnen versprochene Steuerentlastungen. Lindner will nun noch einmal auf Scholz und Habeck zugehen und über mögliche Entlastungen für Gering- und Mittelverdiener sprechen: „Beim Ziel der Stärkung der Mitte sollte nicht Stillstand Programm werden.“

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