Vertrag Biotonne für alle, 365-Euro-Ticket für Azubis - Worauf sich die zukünftige Koalition geeinigt hat

Trier/Mainz · In Rheinland-Pfalz nimmt sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine Menge vor. Kritikern ist manches Ziel aber zu unscharf formuliert.

 Ob’s den Bürgern schmeckt? Die rot-grün-gelbe Koalition in Rheinland-Pfalz hat ihren Regierungsvertrag vorgestellt.

Ob’s den Bürgern schmeckt? Die rot-grün-gelbe Koalition in Rheinland-Pfalz hat ihren Regierungsvertrag vorgestellt.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Bis 2026 leuchtet Rheinland-Pfalz politisch weiter in Ampelfarben. SPD, Grüne und FDP haben am Montag einen Entwurf ihres Koalitionsvertrags veröffentlicht, der 183 Seiten umfasst und die Pläne für die kommenden fünf Jahre offenbart. Was steht drin zu ...

... Bildung? In der Corona-Krise klagen viele Schüler und Lehrer über ruckelnde Netze im Fernunterricht. Die Folge: Viele Stunden Deutsch, Mathe und Englisch fielen aus. Das digitale Lernen soll nun schneller vorangehen. Ob das Tempo den Kindern und Jugendlichen aber genügt, bleibt abzuwarten. Im Koalitionsvertrag heißt es, die Ampel wolle die kommunalen Träger dabei unterstützen, Schulen bis Ende des Schuljahres 2021/22 flächendeckend W-Lan zur Verfügung zu stellen. Schüler, die aus einkommensschwachen Familien kommen, sollen sich ab 2022/23 einen Laptop oder ein Tablet ausleihen können. Das System der Schulbuchausleihe entwickele das Land mit dem Ziel, dass sich alle Schüler ein Endgerät ausleihen könnten. Ansonsten spricht sich die Koalition für eine gute Unterrichtsversorgung aus, ohne dabei aber einen Wert zu nennen, was sie darunter versteht. Oppositionsparteien wie die CDU forderten im Wahlkampf eine 105-prozentige Versorgung mit Lehrern, damit Schulen auch genügend Personal haben, um krankheitsbedingte Ausfälle auffangen zu können. Ohne einen genauen Wert zu nennen, wo Rheinland-Pfalz landen soll, kündigt die Ampel auch einen Ausbau von Schulsozialarbeit an. Dazu wolle sie auch Psychologen und Gesundheitsfachkräfte an Schulen verankern, um Schülern und Lehrern bei der mentalen Widerstandskraft – der sogenannten Resilienz – zu stärken. Ein weiteres Ziel der Regierung: „Jedes Kind soll am Ende der Grundschulzeit sicheres Schwimmen beherrschen.“ Gelingen soll dies auch durch mehr Projekte in Ganztagsschulen und Ferienbetreuung.

... Klimaschutz? Klimaschutz will die Ampelkoalition gesetzlich verankern, erneuerbare Energien ausbauen. Bis 2030 will sie die Windkraft verdoppeln und die Solarenergie verdreifachen. Bei neugebauten Windrädern könnte der Abstand zu Häusern von 1100 auf 900 Meter sinken. Nach dem Repowering – also dem Austausch alter durch neue Anlagen – sollen 720 Meter gelten und damit 20 Prozent weniger als bislang. In Wäldern könnten mehr Windräder künftig auf Flächen stehen, die wegen Borkenschäfer-Schäden abgestorben sind. Ab 2022 soll die Solarpflicht auf Dächern von gewerblichen Neubauten und auf Parkplätzen mit mehr als 50 Stellplätzen gelten. Rheinland-Pfalz soll auch – so die Absicht im Papier – eine Modellregion für grüne Wasserstofftechnologie werden. Bei der Müllentsorgung strebe die Koalition die „flächendeckende Nutzung“ einer Biotonne an. Tonnen-Gegner in der Region Trier dürften da aufhorchen. Der Vulkaneifeler FDP-Politiker Marco Weber macht ihnen aber klar: „Viele Landkreise in Deutschland beweisen, dass die Biotonne funktioniert.“ Klimaneutral soll Rheinland-Pfalz – so die Ampel – zwischen 2035 und 2040 sein.

... Verkehr? Junge Menschen wie Azubis und Oberstufenschüler sollen im Laufe der Legislaturperiode für 365 Euro im Jahr Bus und Bahn fahren dürfen. Die Koalition setzt auch auf ein E-Ticket, das den Übergang zwischen einzelnen Verkehrsmitteln erleichtern soll. Gelten könne das dauerhaft auch für Fähren, Leihfahrräder oder Seilbahnen. Die Koalition kündigt auch an, Car-Sharing auszuweiten. An Straßenprojekten wie dem A1-Lückenschluss hält das Ampelbündnis fest. Auf Bundesebene wolle man sich dafür einsetzen, Trier wieder an den Bahnfernverkehr anzuschließen.

… medizinischer Versorgung? Den Medizincampus Trier, bei dem Mainzer Studenten ihr zehntes Fachsemester in der Region meistern, wolle die Koalition weiterentwickeln. Telemedizin-Projekte wie in Daun, wo Assistenzkräfte die Hausarzt-Praxen entlasten, sollen „landesweit“ zum Einsatz kommen. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen in Rheinland-Pfalz 54 Gemeindeschwestern plus im Einsatz sein, die älteren Menschen helfen, ihr Leben in den eigenen vier Wänden zu meistern. Das Aus von Geburtsstationen soll ein Ende haben. Die Landesregierung nennt als Ziel mehr Kreißsäle in Rheinland-Pfalz, die von Hebammen geleitet werden. Es werde ein Konzept erarbeitet, „um Kliniken ein Überleben der Geburtshilfe an den verbliebenen Standorten zu ermöglichen“.

... Wirtschaft? Rheinland-Pfalz soll führender Standort in Biotechnologie und Altersforschung sein. Eine Transformations- und Innovationsagentur soll Unternehmen im Wandel helfen. Für Start-ups soll es mehr Wagniskapital geben, um „Spitzenland für Unternehmensgründungen“ zu werden. Bis Ende 2021 sollen Ergebnisse vorliegen, wo es noch Bedarf und Möglichkeiten bei Gewerbe- sowie Industrieflächen gibt. Um Innenstädte nach der Corona-Krise zu fördern, will das Land Handel, Handwerk und Kultur zusammenführen. Auch in der Landwirtschaft plant die Ampelkoalition was Neues: Landwirte, die einen Hof übernehmen wollen, sollen eine Prämie bekommen. Der Grund: Viele Bauern, die vor dem Ruhestand stehen, finden keinen Nachfolger. Der Flächenanteil des Öko-Landbaus soll bis 2030 auf 25 Prozent wachsen. Momentan liegt er bei mehr als elf Prozent.

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