55. Jahrestag des Élysée-Vertrags Gemeinsam für Europa

Paris · Die Parlamente von Deutschland und Frankreich haben den 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags gefeiert. Sie fordern ein neues Abkommen noch in diesem Jahr.

 Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hält am Montag in der Nationalversammlung in Paris eine Rede.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hält am Montag in der Nationalversammlung in Paris eine Rede.

Foto: dpa/Michel Euler

Wolfgang Schäuble ist nicht nur ein überzeugter Europäer, sondern auch ein überzeugter Offenburger. Deshalb dauerte es nur eine Minute, bis der Bundestagspräsident in seiner Rede vor der französischen Nationalversammlung am Montag seinen Wahlkreis erwähnte. Als konkretes Beispiel des gelungenen Zusammenwachsens von Deutschland und Frankreich in den Grenzregionen. 55 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags waren es am Montag die Parlamente der beiden Länder, die das Jubiläum mit Debatten und einer gemeinsamen Erklärung würdigten. Darin fordern sie ein neues Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich noch in diesem Jahr. „Bei allem Stolz auf das Erreichte: Grund zur Selbstzufriedenheit haben wir nicht“, mahnte Schäuble auf Französisch vor den nur spärlich besetzten Bänken der Assemblée Nationale.

„Deshalb fordern wir die Regierungen unserer beiden Staaten auf, die Grundlagen des Élysée-Vertrags den veränderten Herausforderungen unserer Zeit anzupassen.“ Nur gemeinsam könnten diese Herausforderungen bewältigt werden. „Gemeinsam in Europa.“ Auf der Ehrentribüne verfolgte eine Delegation des Bundestags die zehnminütige Ansprache des 75-Jährigen. Am Morgen hatten umgekehrt im Bundestag auch französische Parlamentarier gesessen, als der Präsident der Nationalversammlung, François de Rugy, sich auf Deutsch an die Abordneten wandte.

Mit harter Kritik an Schäuble störte der Linkspolitiker Eric Coquerel die deutsch-französische Harmonie. „Ich sage Präsident Schäuble ganz offen, dass ich die extrem harte Rolle nicht vergessen kann, die er bei der furchtbaren Erpressung des griechischen Volkes 2015 gespielt hat.“ Deutschland kritisierte der Abgeordnete als „Land der Ein-Euro-Jobs und der Rente mit 67“. Coquerels Partei La France Insoumise stimmte gegen die gemeinsame Erklärung, denn: „Wir sind nicht einverstanden mit diesem Bild eines Spar-Europas.“ Auch der rechtspopulistische Front National, für den Parteichefin Marine Le Pen die Debatte verfolgte, lehnte den Text ab. Auf deutscher Seite votierten AfD und Teile der Linken gegen die Resolution, die von Union, SPD und FDP eingebracht worden war.

 Das Dokument fordert einen neuen Élysée-Vertrag noch in diesem Jahr. Mit einem ganzen Katalog von Maßnahmen soll die deutsch-französische Zusammenarbeit gestärkt werden. Die Liste umfasst grenzüberschreitende Fahrradwege ebenso wie die Stärkung der Eurodistrikte, die Intensivierung des Sprachunterrichts und eine europäische Innovationsagentur. Die Parlamentarier unterstützen ausdrücklich die Idee des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, in Bürgerbefragungen den Europäern die EU wieder näherzubringen. Auch De Rugy hatte vor dem Bundestag für diese Initiative geworben, die im Frühjahr beginnen soll. „Seit 20 Jahren verbreiten sich Misstrauen und Skepsis in der europäischen Öffentlichkeit. Wir brauchen neue Methoden“, forderte der Politiker von Macrons Partei La République en Marche.

Mit dem Élysée-Vertrag hatten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 die deutsch-französische Aussöhnung besiegelt. Macron hatte in seiner Europarede an der Sorbonne ein neues Abkommen gefordert. Er setzt in seinen Plänen für eine „Neugründung“ Europas auf die enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel veröffentlichte er eine gemeinsame Erklärung, in der sich beide für einen „Aufbruch“ aussprechen. „Europa soll uns mehr vereinen, wirkungsvoller sein, uns mehr schützen“, forderte Macron in dem Video, das bei Merkels Besuch am Freitag in Paris aufgezeichnet worden war.

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