EU-Gipfel Mister Unberechenbar mischt in Brüssel mit

Brüssel · Beim EU-Gipfel macht sich Erleichterung breit, dass Donald Trump den Handelskrieg mit Europa vorerst abgeblasen hat.

 Donald Trump, Präsident der USA, unterzeichnet ein Dekret, welches milliardenschwere Strafzölle für den Rivalen China beinhaltet. Für die EU gilt eine Ausnahmeregelung.

Donald Trump, Präsident der USA, unterzeichnet ein Dekret, welches milliardenschwere Strafzölle für den Rivalen China beinhaltet. Für die EU gilt eine Ausnahmeregelung.

Foto: dpa/Evan Vucci

Das dürfte US-Präsident Donald Trump bestens gefallen haben. Erst diktiert der America-first-Politiker den 28 Staats- und Regierungschefs, was das wichtigste Thema bei ihrem Treffen ist. Eigentlich wollte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron über Reformen in der Euro-Zone reden, nun standen die Strafzölle auf Stahl und Aluminium im Fokus. Und als Trump dann – nur vorerst versteht sich –, die EU von den drakonischen Zöllen ausnimmt und damit der Handelskonflikt aus Sicht Brüssels entschärft ist, muss die Gipfelregie wegen Trump noch einmal geändert werden. Eigentlich wollten die Spitzen der EU Donnerstagabend über den Handel reden und Beschlüsse verabschieden. Doch dann mussten sie alles auf den Freitagmorgen verschieben. „Wir warten noch auf die formale Bestätigung aus den USA“, sagt Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz noch Freitagmorgen entnervt am Beginn des zweiten Gipfeltages. Die britische Premierministerin Theresa May muss ihren Aufenthalt in Brüssel um eine Nacht verlängern und kann erst Freitagmittag nach London zurückreisen.

Ohne ein Dokument aus Washington konnte der Gipfel nicht Stellung nehmen. Gegen zehn Uhr trudelt das Papier dann ein. Und die Staats- und Regierungschefs brauchen dann nur wenige Minuten, um sich auf eine gemeinsame Antwort auf die neueste Entwicklung aus Washington zu einigen. Sie fällt in der Wortwahl unterkühlt aus. Der Gipfel bedauere die Entscheidung, Zölle aus Stahl und Aluminium zu erheben. Sie seien „nicht mit nationalen Sicherheitsbedürfnissen“ der USA zu „rechtfertigen“. Man nehme „zur Kenntnis“, dass EU-Exporte „vorübergehend ausgenommen“ würden und verlange, dass „die Ausnahme dauerhaft“ gemacht wird.

Auch das dürfte nach Trumps Geschmack sein: Die EU darf sich nicht sicher fühlen, faktisch hat sie nur eine Galgenfrist bekommen. Schon Ende April könnte Trump, Mister Unberechenbar, seine Meinung ändern, und die Strafzölle auch gegen die EU in Kraft setzen. Denkbar ist allerdings auch, dass Trump noch zu anderen protektionistischen Maßnahmen greift. So wird etwa über Export-Quoten spekuliert, die die USA für bestimmte Produkte festlegen könnten. Der Handelskonflikt ist also keineswegs abgeblasen, sondern nur entschärft. Daher bleibt die EU auch dabei, Gegenmaßnahmen vorzubereiten.

Die Klage der EU bei der WTO gegen die aus EU-Sicht ungerechtfertigten Zölle ist also nicht vom Tisch. Auch die Liste von Zöllen, die die EU bei der WTO im Gegenzug auf US-Produkte einreichen würde, bleibt aktuell. In den Schlussfolgerungen des Gipfels heißt es: „Der Europäische Rat unterstützt mit Nachdruck die Schritte, die die Kommission unternommen hat, um die Interessen der EU zu wahren.“ Der Schlusssatz klingt wie eine Beschwörungsformel in Richtung Washingtons, dem Verhältnis zwischen den USA und EU nicht dauerhaften Schaden zuzufügen: Starke transatlantische Beziehungen seien „der Eckstein für Sicherheit und Wohlstand von beiden Parteien, der USA und der EU“.

Die EU, auch das ist offizieller Gipfelbeschluss, ist dafür, mit den USA in den „Dialog über Handelsangelegenheiten, die beide Seiten betreffen“, zu treten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron formuliert bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel scharf, dass es dabei nicht zugehen wird wie unter Teppichhändlern: „Wir reden mit Ländern, die die Regeln der WTO respektieren. Wir reden nicht mit Ländern, die uns die Pistole auf die Brust setzen.“ Offiziell hat noch keiner der  Staats- und Regierungschefs die Forderung erhoben, wieder in Verhandlungen mit den USA über ein Freihandelsabkommen einzutreten. Von einem neuen Anlauf für TTIP oder TTIP light ist noch keine Rede. Klar ist: Aus Brüsseler Sicht wäre ein Handelsabkommen mit den USA wünschenswert. Denn damit gäbe es schriftlich fixierte Zölle. Und: Solange ein Freihandelsabkommen nicht gekündigt ist, wäre die EU weniger der Willkür durch die USA ausgesetzt. Nur: Es deutet nichts darauf hin, dass Trump ein Freihandelsabkommen mit der EU anpeilt. Im Gegenteil, er ist erklärter Gegner von Handelsabkommen.

Als einer seiner ersten Amtshandlungen ist Trump aus den Gesprächen über ein Transpazifisches Handelsabkommen ausgestiegen. Trump, der auch nach seinem Einzug ins Weiße Haus die Mentalität des  Immobilienunternehmers nicht abgelegt hat und als Politiker auf Deals setzt, dürfte vielmehr daran gelegen sein, weiter den starken Mann in den Handelsbeziehungen zu markieren. Dazu gehört: seine Handelspartner weiter in Unsicherheit wiegen.

Viele treibt die Frage um, was dazu geführt hat, dass Trump sich nun nur auf China konzentriert und die EU ebenso wie zuvor auch Kanada, Mexiko und Argentinien, Brasilien, Südkorea sowie Neuseeland und Australien von den Strafzöllen vorerst ausgenommen hat. Ob der Besuch von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström den Ausschlag gegeben hat? Ob die Gespräche eine Rolle gespielt haben, die der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in Washington geführt hat?

Jeder würde sich gern den Verdienst für den Meinungsumschwung im Oval Office ans Revers heften. Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte in ihrer Abschlusspressekonferenz jedenfalls Malmström: Ihrem Einsatz sei zu verdanken, „dass wir nun weitere Gespräche mit den Amerikanern führen können“.  Klar ist, dass auch einflussreiche Politiker der republikanischen Partei versucht haben, mäßigend auf Trump einzuwirken.

Spekuliert wird, ob die EU der US-Regierung etwas angeboten hat, damit Washington die Keule Strafzölle wieder einpackt. Höhere Rüstungsausgaben, Aufträge für die US-Rüstungsindustrie? Darauf deutet bislang nichts hin. Ein hoher EU-Diplomat sagt: „Nach meiner Kenntnis gibt es keine Vorbedingungen.“

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