Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland Putins Rede zum 9. Mai: Der Kriegspräsident

Meinung · Russlands Präsident Wladimir Putin wendet sich am 9. Mai zum Tag des Sieges über Hitler-Deutschland an sein Land: Er selbst kann keinen Sieg in der Ukraine verkünden. Seine Bilanz ist stattdessen desaströs. Russland hat an diesem 9. Mai nichts zu feiern.

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik über AP veröffentlichte Pool-Foto zeigt Wladimir Putin, Präsident von Russland, der im Rahmen der Militärparade zum „Tag des Sieges“ auf dem Roten Platz in Moskau eine Rede hält.

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik über AP veröffentlichte Pool-Foto zeigt Wladimir Putin, Präsident von Russland, der im Rahmen der Militärparade zum „Tag des Sieges“ auf dem Roten Platz in Moskau eine Rede hält.

Foto: dpa/Mikhail Metzel

Wladimir Putin braucht den Krieg. Um einen anderen Krieg zu rechtfertigen. Der russische Präsident ist ein Mann des Kalten Krieges. Seit mittlerweile 75 Tagen hat er Europa einen heißen Krieg gebracht. Einen Krieg, den er offiziell der Ukraine noch nicht einmal erklärt hat. Nach russischer Lesart führen seine Streitkräfte ja eine Spezialoperation im Nachbarland durch. Aber der Machthaber im Kreml hat sich mit seiner Rede zum 9. Mai -- dem russischen Jahrestag zum Sieg über Nazi-Deutschland – diese Option der offiziellen Kriegserklärung, die eine nächste Eskalation wäre, offengelassen.

Dass Putin diesen Schritt nicht jetzt, zum Jahrestag am 9. Mai, offiziell gehen will, heißt nicht, dass dies nicht noch bevorsteht. Vielleicht liefert er den nächsten Schock bald hinterher. Der Kriegstreiber lebt davon, dass er weltweit Angst schürt, erst recht im reichen Europa, das wenig erprobt ist mit der Ausnahmesituation konkreter eigener Kriegsgefahr. Er weiß aber auch: Mit einer offiziellen Kriegserklärung würde dieser Krieg, den er bislang Zuhause noch irgendwie kleinhalten kann, wirklich in der russischen Gesellschaft ankommen.

Putins Rede war eindeutig zweideutig

Noch ist in Russland auch nur der Ansatz eines Aufstandes gegen Putin nicht zu erkennen. Doch die eigenen Opferzahlen sind inzwischen hoch. Und wenn neben den Sanktionen des Westens nun der Krieg auch noch offiziell in den russischen Alltag einzieht, könnte der Unmut im Land breiter, daraus vielleicht sogar eine Bewegung werden, die sich angesichts der schieren Verzweiflung über die eigene Lage wieder auf die Straße traut.

Putins Rede war eindeutig zweideutig. Sie hinterlässt Spielraum zur Interpretation. Und das ist auch so gewollt. Der Meister des politischen Zynismus hat ein nächstes Schauder-Kapitel abgeliefert, ein Stück aus der Propagandaabteilung. Man achte auf die Wortwahl. Putin spricht von einem „Präventivschlag“, der sein Einmarsch in die Ukraine gewesen sei. Schließlich habe die Nato Berater und Waffen in die Ukraine geschickt, jenes Land, das Putin geringschätzig und zugleich besitzergreifend Kleinrussland nennt. Ein Präventivschlag? Da könnte einem doch einfallen, dass der Kreml-Herrscher auch mit anderen Waffen präventiv zuschlagen könnte, die er bislang noch zurückhält. Taktische Atombomben zum Beispiel.

Putins Rede: Auch ohne Eskalation feindselig genug

Weiter ist keine Grausamkeit, keine Perversion, keine Barbarei ausgeschlossen. Putin kennt keine Skrupel, es gibt für ihn im Umgang mit Gegnern, Feinden und Konkurrenten keine Tabus, keine Haltelinien. Zu seinen erklärten Gegnern im Westen gehört in Europa allen voran Deutschland. Ob Putin Deutschland wegen seiner Waffenlieferungen an die Ukraine für eine Kriegspartei hält oder nicht, entscheidet nicht die Art der gelieferten Waffen, sondern Putin für sich selbst. Seine Rede zum 9. Mai war feindselig genug, auch wenn sie keine neue Eskalation enthielt. Das spart sich der Kreml-Herrscher auf. Putin ist ein Kriegspräsident. Und das wird er bis zu seinem Ende auch bleiben.

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