Wahlen Boxkampf zum Wahlkampfende in Frankreich

Vor der Stichwahl greift Marine Le Pen den Präsidenten Emmanuel Macron ungewöhnlich scharf an. Der Staatschef warnt vor den Plänen der Rechtspopulistin.

Wahlen in Frankreich: Boxkampf zum Wahlkampfende
Foto: AP/Christophe Ena

Es war sicher kein Zufall, dass Emmanuel Macron bei seinem vorletzten Wahlkampfauftritt die Boxhandschuhe anzog. Der kurze Schlagabtausch mit einem Boxer in der Pariser Vorstadt Saint-Denis zeigte den kämpferischen Gemütszustand des Amtsinhabers kurz vor der Stichwahl gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen am Sonntag. Der Präsident bemühte sich bis zuletzt um die Stimmen derjenigen, die ihn in der ersten Runde nicht wählten. Vor allem um die Anhänger des Linksaußen Jean-Luc Mélenchon, der in Saint-Denis auf 61 Prozent kam. Eindrucksvoll warnte der 44-Jährige die Bewohner der für Armut und Arbeitslosigkeit bekannten Banlieue vor den Folgen einer Wahl Le Pens. „Eine Marokkanerin mit zwei Kindern, die regulär in Frankreich ist, würde aus ihrer Sozialwohnung geworfen.“

Le Pen, die die Französinnen und Franzosen bei der Vergabe von Wohnungen und Arbeitsplätzen bevorzugen will, packte ebenfalls die Boxhandschuhe aus - allerdings nur verbal. In einer aggressiven Rede im nordfranzösischen Arras warf sie dem Präsidenten „grenzenlose Arroganz“ vor. Die 53-Jährige wetterte gegen eine „kalte Oligarchie“, die die Macht besetzt halte und rief zur Revolte an der Urne auf. „Volk Frankreichs, steh auf“, forderte sie vor rund 3000 Zuhörerinnen und Zuhörern.

In Umfragen liegt die Anwältin mehrere Prozentpunkte hinter dem Präsidenten. Der Abstand beträgt je nach Meinungsforschungsinstitut zwischen sechs und 14 Prozentpunkten. „Nichts ist entschieden“, warnte Macron in Saint-Denis.

Entscheidend für den Sieg am Sonntag sind die Wählerinnen und Wähler Mélenchons, der in der ersten Wahlrunde am 10. April nur knapp hinter Le Pen auf den dritten Platz gekommen war. Macron bemühte sich bei seinen Auftritten in Marseille, Mulhouse und Saint-Denis um genau diese Wählerschaft. Ihr versprach er, in den nächsten fünf Jahren der Ökologie einen höheren Stellenwert einzuräumen. Auch bei seiner umstrittenen Rentenreform zeigte er sich kompromissbereit.

Marsfeld für Siegesfeier reserviert

Umfragen zufolge wollen 36 Prozent der „Mélenchonisten“ für Macron stimmen - acht Prozentpunkte mehr als noch vor zwei Wochen. Allerdings ist der Wechsel deutlich weniger ausgeprägt als noch vor fünf Jahren, als 52 Prozent der Linksextremen sich in der Stichwahl für Macron entschieden. Der frühere Wirtschaftsminister hatte damals mit 66 zur 34 Prozent gegen Le Pen gewonnen. Diesmal wollen 45 Prozent der Anhänger Mélenchons gar nicht zur Wahl gehen und 19 Prozent für Le Pen stimmen, auch wenn Mélenchon dazu aufgerufen hatte, keine Stimme an die Rechtspopulistin gehen zu lassen.

Ein Teil seiner Wählerschaft stellt die beiden Kandidaten auf eine Stufe und will deshalb am Sonntag die Wahl verweigern. Die Wahlbeteiligung dürfte mit rund 70 Prozent ein Rekordtief erreichen und könnte sich auch auf das Ergebnis auswirken. „Weder eine ungültige Stimme noch die Enthaltung haben irgendeinen Nutzen, um unser Land vor dem nicht wieder gut zu Machenden zu bewahren“, warnte die Zeitung „Le Monde“ in ihrem Leitartikel vor der Wahl Le Pens.

Unter den Konservativen, deren Kandidatin Valérie Pécresse in der ersten Runde auf blamable 4,8 Prozent gekommen war, wollen fast die Hälfte Macron wählen. Die Parteispitze gab offiziell keine Empfehlung für Macron ab, sprach sich aber gegen Le Pen aus. Dennoch wollen knapp 30 Prozent der konservativen Wählerschaft laut Umfragen zu Le Pen wechseln. Unter Grünen, Sozialisten und Kommunisten, die alle ein Votum für den Präsidenten forderten, dürfte Macron dagegen deutlich dazu gewinnen.

Nach dem überstandenen Fernsehduell, das Macron einen leichten Vorteil brachte, traf sein Lager bereits erste Vorbereitungen für eine Siegesfeier am Sonntagabend. Die Anhänger des Präsidenten reservierten laut Medienberichten das Marsfeld vor dem Eiffelturm für ihre Party. Bevor gejubelt wird, muss ihr Kandidat allerdings noch gewinnen.

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