Interview „Der Staat ist unersättlich“

Trier · Der FDP-Politiker und Präsident des rheinland-pfälzischen Steuerzahlerbundes fordert: Weg mit dem Soli und Finger weg von Klimasteuern.

 Im vergangenen Jahr sind die Steuereinnahmen von Bund und Ländern kräftig gestiegen.

Im vergangenen Jahr sind die Steuereinnahmen von Bund und Ländern kräftig gestiegen.

Foto: dpa/Oliver Berg

() 713 Milliarden Euro an Steuern haben Bund und Länder 2018 eingenommen. Das sind 39 Milliarden Euro mehr als 2017. Angesichts dieser Rekordeinnahmen dürfe nicht über höhere Steuern oder Abgaben nachgedacht werden, sagt Rainer Brüderle. Der Präsident des rheinland-pfälzischen Steuerzahlerbundes, fordert eine deutliche Entlastung der Steuerzahler, statt zusätzlicher Belastung durch neue Steuern und Abgaben. Mit dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister und FDP-Politiker sprach TV-Redakteur Bernd Wientjes.

Herr Brüderle, mal wieder oder besser noch immer wird über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags diskutiert. In der großen Koalition herrscht Uneinigkeit darüber, ob der Soli ganz oder nur zum Teil weg soll. Was halten Sie von der Diskussion?

RAINER BRÜDERLE: Der Soli muss weg. Er wurde damals eingeführt für die Sonderbelastung im Zuge der deutschen Einheit. Er ist eine Ergänzungsabgabe. In dem Wort klingt doch schon die Befristetheit der Abgabe mit. Jetzt wieder herumzufummeln, indem man sagt, es soll nur ein Teil des Solis abgeschafft werden, ist unglaubwürdig.

Also der Solidaritätszuschlag hat seinen Zweck erfüllt und wird nicht mehr benötigt?

BRÜDERLE: Der Staat führt die Bürger mit dem Soli hinter die Fichte. Alle sind sich einig, dass er zeitlich befristet ist und dass er für die Kraftanstrengung der Einheit ist, aber immer weniger Geld davon kommt in den neuen Bundesländern an und die Einnahmen sind längst im allgemeinen Steuersäckel verschwunden, weil der Soli nicht zweckgebunden ist. Es ist überfällig, ihn abzuschaffen. Man sollte endlich klar Schiff machen und nicht wieder Rumeiern.

Der Soli soll zumindest teilweise abgeschafft werden, gleichzeitig wird über höhere Steuern und zusätzliche Abgaben für Umwelt- und Klimaschutz diskutiert. Vergangene Woche wurde eine höhere Mehrwertsteuer für Fleisch vorgeschlagen. Eine CO2 -Abgabe soll den Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen verringern. Bringt das was?

BRÜDERLE: Das ist einfach typisch. Fällt denen in Berlin irgendwas ein, dann muss es eine neue Steuer sein. Die Mittel müssen richtig verwendet werden. Es ist fraglich, dass diese Klimasteuern tatsächlich eine Lenkungswirkung haben werden. Wenn sie tatsächlich wirken sollen, muss es eine schmerzhafte Größenordnung sein, sonst bringt es nichts und ist nur eine Abzocke unter dem Deckmantel ökologische Maßnahme. Für höhere Einkommen spielt es in der Regel keine Rolle, ob Benzin oder Fleisch etwas teurer ist. Solche Steuererhöhungen treffen die breite Mitte.

Aber mit den Einnahmen der von derzeit sieben auf 19 Prozent erhöhten Mehrwertsteuer auf Fleisch soll doch das Tierwohl gefördert werden.

BRÜDERLE: Dadurch wird doch das Tierwohl nicht mehr beachtet, wenn das Fleisch teurer wird. Nehmen wir mal das Biofleisch. Für Leute, die scharf rechnen müssen, würde sich das dann so verteuern, dass sie vielleicht doch weiter Billig-Fleisch aus dem Discounter kaufen und damit die Massentierhaltung fördern. Eine höhere Mehrwertsteuer wird wohl auch kaum einen davon abhalten, Fleisch im Discounter zu kaufen. Zumal wie üblich in den Sternen steht, was der Staat mit den Einnahmen aus einer höheren Mehrwertsteuer macht. Da müsste es andere Maßnahmen geben, mit denen die Landwirte in die Lage versetzt werden, andere, tiergerechte Ställe zu bauen. Statt Fleisch teurer zu machen, sollten Bahnfahrten durch einen ermäßigten Steuersatz billiger gemacht werden.

Befürchten Sie, dass durch solche Diskussionen der Verdruss der Bürger steigt?

BRÜDERLE: So ist es. Das führt zu Politik- und Parteienverdruss. Es gab noch nie so viel Steuereinnahmen wie derzeit. Statt die Einnahmen etwa in die Bildung zu stecken, werden sie für den staatlichen Konsum verwendet. Da fühlt sich der Bürger durch die hohen Steuern und Abgaben, die er zahlt, abgezockt. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer zahlt über 53 Prozent seines Einkommens an den Staat. Das zeigt die ganze Misere: Der Staat ist unersättlich.

 ARCHIV - Rainer Brüderle, ehemaliger Bundeswirtschaftsminister (FDP), aufgenommen am 13.02.2014 im ZDF-Hauptstadtstudio im Berliner Zollernhof Unter den Linden. Foto: Karlheinz Schindler/dpa  (zu "FDP-Urgestein Brüderle feiert 70. Geburtstag" vom 21.06.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

ARCHIV - Rainer Brüderle, ehemaliger Bundeswirtschaftsminister (FDP), aufgenommen am 13.02.2014 im ZDF-Hauptstadtstudio im Berliner Zollernhof Unter den Linden. Foto: Karlheinz Schindler/dpa (zu "FDP-Urgestein Brüderle feiert 70. Geburtstag" vom 21.06.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Foto: picture alliance / dpa/Karlheinz Schindler

Also: Steuern runter, statt noch weiter rauf?

BRÜDERLE: So ist es. Bürger und Unternehmen müssen entlastet werden. Wir stehen am Rande eines wirtschaftlichen Abschwungs, womöglich auch einer Rezension. Daher muss man die Belastung der Wirtschaft und der Bürger reduzieren und nicht weiter erhöhen. Früher gab es Bauernaufstände gegen den Zehnten, also die Abgabe des zehnten Teils vom Ertrag eines Grundstücks. Heute würden die Bürger auf Knien den Zehnten zum Finanzamt tragen, wenn der Fiskus sich damit zufrieden gäbe.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort