Bundestag Neue SPD-Fraktion ist jünger und vielfältiger

BERLIN · Erstmals seit 19 Jahren ist die SPD-Fraktion wieder stärkste Kraft im Parlament. Von den Zugewinnen bei der Wahl profitierten besonders junge Kandidatinnen und Kandidaten. Viele der neuen Abgeordneten teilen ein ungewöhnliches Ziel, wie in der ersten Sitzung deutlich wurde.

 Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Parteivorsitzender, kommt im Bundestag zur ersten Fraktionssitzung der SPD nach den Bundestagswahlen. In der neuen Fraktion sitzen viele Neulinge. Kühnert ist einer von 104 neuen Mitgliedern in der SPD-Bundestagsfraktion

Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Parteivorsitzender, kommt im Bundestag zur ersten Fraktionssitzung der SPD nach den Bundestagswahlen. In der neuen Fraktion sitzen viele Neulinge. Kühnert ist einer von 104 neuen Mitgliedern in der SPD-Bundestagsfraktion

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Dieser Auftritt gleicht einem Triumphzug. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schreitet um 9 Uhr den Gang im Reichstag entlang, trägt sich erstmals als direkt gewählter Abgeordneter für seinen Wahlkreis Potsdam in die Anwesenheitsliste ein und betritt dann den Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Zum vierten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik stellt die SPD die größte Fraktion im Parlament. Und das, obwohl sie während des Wahlkampfes angesichts schlechter Umfragewerte zeitweise zittern musste, ob sie überhaupt ihren Fraktionssaal in einem der Türme des Gebäudes behalten könnte.

Der Mann, dem die nun 206 Abgeordneten das maßgeblich zu verdanken haben, wird mit viel Applaus begrüßt. Auch die am Sonntag ausgeschiedenen Abgeordneten sind noch einmal zur Sitzung erschienen – so ist es Tradition.

Fraktionschef Rolf Mützenich, der an diesem Mittwoch in der ersten Sitzung der neuen Fraktion wiedergewählt werden soll, überreicht Scholz einen Blumenstrauß, dann gehört dem Kanzlerkandidaten das Rednerpult. Er strahlt Zuversicht aus, wie Teilnehmer berichten, beschwört die Sozialdemokraten, in den laufenden Sondierungen mit FDP und Grünen keine roten Linien zu ziehen. Ruhe bewahren, dann sollte es klappen mit der gewünschten Ampel-Koalition. In trockenen Tüchern ist die aber längst nicht. 

Die eigentliche Show aber gehört an diesem Tag den vielen Neuzugängen der Fraktion. 104 sind bei der Wahl hinzugekommen, 102 wurden wiedergewählt. Der Anteil der Frauen ist mit knapp 42 Prozent gleich geblieben, dafür sind nun 33 Abgeordnete mit Migrationshintergrund vertreten. Zudem ist die Fraktion im Schnitt deutlich jünger als in der auslaufenden Wahlperiode. 71 von ihnen sind jünger als 40 Jahre – nach der Wahl 2017 gab es nur 18 SPD-Abgeordnete im Alter bis 40. Das Durchschnittsalter liegt jetzt bei 45,5, damals bei 50,5.

Besonders glücklich zeigte sich Generalsekretär Lars Klingbeil darüber. „Es tut gerade sehr gut, das bei unserer ersten Fraktionssitzung zu sehen“, schrieb er bei Twitter. Jüngster SPD-Abgeordneter ist mit 24 Jahren Jakob Blankenburg, Juso-Chef aus Niedersachsen.

Er und die anderen Neuzugänge stellten sich mit knappen Worten in der Sitzung vor. Eineinhalb Stunden dauerte das. Besonders beliebt war es dabei offenbar, Interesse an einer Mitgliedschaft im FC Bundestag anzumelden. Auch SPD-Vize Kevin Kühnert, der erstmals ins Parlament einzog, will im Fußballteam mitspielen. Und zwar als „Linksaußen“, wie er Teilnehmern zufolge sagte. Maja Wallstein, die mit 35 Jahren den Wahlkreis Cottbus knapp vor einem AfD-Kandidaten gewann, sieht sich hingegen in einer anderen Rolle. Sie ist ausgebildete Schiedsrichterin.

Wie sehr die jungen Abgeordneten den Kurs der SPD-Fraktion bestimmen werden, bleibt abzuwarten. Schon jetzt ist aber klar, dass es mit den vielen Mitgliedern der Jusos einen deutlichen Linksschwenk geben dürfte. Inwiefern sie sich einbinden lassen im bestehenden Flügel der Parlamentarischen Linken, ist offen.

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