Geschichte Schwerpunkt Antisemitismus: „Gleichgültigkeit und Wegsehen helfen nicht“

Saarburg/Luxemburg · Die Veranstalterinnen der Saarburger Initiative „Augen auf!“ über ihren Kampf gegen den Antisemitismus.

 Kathrin Meß.  Foto: Die Linke Trier-Saarburg

Kathrin Meß. Foto: Die Linke Trier-Saarburg

Foto: Die Linke (Trier-Saarburg)

Ob Trier, Daun, Wittlich oder Schweich – in vielen Orten der Region gibt es Initiativen gegen Antisemitismus. Der Trierische Volksfreund hat mit den Veranstaltern der aktuell in Saarburg laufenden Initiative „Augen auf!“ gesprochen. Dort haben sich das Lokale Bündnis für Familie (LBF) in der Verbandsgemeinde Saarburg und das Institut für Geschichte und Soziales Luxemburg zusammengeschlossen, um mit einer Veranstaltungsreihe dem Antisemitismus etwas entgegenzusetzen. Ein Interview mit der Historikerin Kathrin Meß vom Institut für Geschichte und Soziales Luxemburg, und Anette Barth, Geschäftsführerin des LBF.

Das Attentat auf die Besucher der Synagoge im amerikanischen Pittsburgh mit elf Toten  hat erschreckend deutlich gemacht, wie akut das Problem Antisemitismus ist – zumindest in den USA. Wie akut ist das Problem in Deutschland Ihrer Meinung nach?

KATHRIN MESS Schaut man sich die Studien zum Thema Antisemitismus an, so wächst Antisemitismus auch europaweit. Es ist definitiv nicht nur ein amerikanisches, sondern vor allem auch ein europäisches Problem, Frankreich, Deutschland, England und andere Länder verzeichnen einen deutlichen Anstieg antisemitischer Straftaten. Die Gründe für die Zunahme sind sehr komplex und können hier nicht erläutert werden. Bei den Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus, die bundesweit zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome starten, heißt es: „Antisemitismus ist zuerst ein Angriff auf jüdisches Leben, aber stets auch ein Angriff auf unsere Demokratie. Dabei tritt Antisemitismus nicht nur als körperliche Gewalt in Erscheinung: Auch das Mobbing jüdischer Schüler, Hate Speech (Hassreden) im Netz, verschwörungsideologische Welterklärungen, Drohungen auf offener Straße und vermeintliche Kritik an Israel sind Formen des Antisemitismus.“

 Anette Barth.

Anette Barth.

Foto: TV/Friedemann Vetter

ANETTE BARTH Parallel zu antisemitischen Straftaten wachsen auch Handlungen und Straftaten gegen andere Gruppen und Minderheiten. Der Antisemitismus braucht keine Juden. Wo er herrscht, werden auch häufig Frauen, Schwule, Lesben und Menschen mit Behinderung ausgegrenzt.

Wie akut ist das Problem in unserer Region?

BARTH In unserem Engagement im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ bemerken wir bereits entsprechende Strömungen in der Gesellschaft. Deshalb setzt die Initiative „Augen auf!“ mit Fakten und Aktionen ein Zeichen, und zwar in erster Linie um präventiv auf gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hinzuweisen. Historische Fakten zu verharmlosen oder sie gar zu verleugnen, ist inakzeptabel. Auch in unserer Region ist es vor kurzer Zeit unter anderem zur Schändung eines jüdischen Friedhofs gekommen. Auch bei uns ist die Identitäre Bewegung aktiv, und auch unsere Kinder und Jugendlichen werden zum Beispiel in der Musik, im Rechtsrock, in den sozialen Medien oder in der Alltagssprache mit entsprechenden Äußerungen konfrontiert.

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Kann es sein, dass Sie die, die es am meisten angeht, mit ihrer Initiative gegen Antisemitismus „Augen auf!“ nicht erreichen?

MESS Da rechtspopulistische Äußerungen zunehmen, antisemitische und rechtsradikale Meinungen gerade auch im Netz offen ausgesprochen werden, geht es uns alle an! Gleichgültigkeit, Ignoranz und Wegsehen (auch aus Furcht), Frustration und so weiter – all das hilft nicht! Unsere Initiative setzt ein klares und bewusstes Zeichen dagegen!

BARTH Es ist nicht einfach, sich entsprechend zu verhalten. Dies erfahren zum Beispiel  die Mitarbeiter der Koordinierungs- und Fachstelle der „Partnerschaft für Demokratie leben!“ der Verbandsgemeinde Saarburg immer wieder in ihrer täglichen Arbeit oder während der Aktionstage im öffentlichen Raum. Deshalb nehmen sie ebenso wie die Mitarbeiter der Initiative an entsprechenden Argumentations- oder Zivilcourage-Workshops teil. Um auch andere Menschen zu ermutigen, Haltung und Zivilcourage in ihrem Alltag zu zeigen, bieten wir diese Workshops an. Wir stärken die Teilnehmer dadurch in ihrer Haltung und in ihrem Engagement für Menschenrechte, Vielfalt und Toleranz.

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