Drastische Folgen für den Job Wenn das Zocken zur Droge wird

Mainz · Hunderttausende Beschäftigte im Land leiden unter einem Suchtproblem – mit erheblichen Folgen für die Arbeit.

Mal ist es der nervöse Griff in die Zigarettenschachtel, mal ein Glas Bier zu viel oder ein Handyspiel, das bis tief in die Nacht gedauert hat: Hunderttausende Beschäftigte in Rheinland-Pfalz haben ein Suchtproblem, zeigt der Gesundheitsreport DAK. Geht es nach der Krankenkasse, leidet auch der Job massiv unter Süchten.

Betroffene kommen zu spät, gehen früher heim, zocken heimlich während der Arbeit, können sich kaum konzentrieren und fehlen öfter. Erwerbstätige mit einem Suchtproblem häuften im vergangenen Jahr einen Krankenstand von acht Prozent an und damit doppelt so viel wie die anderen Arbeitnehmer, sagt Michael Hübner, Leiter der DAK-Landesvertretung.

Er fordert vor allem ein umfassendes Werbeverbot für Tabakwaren und E-Zigaretten. Denn die größte Sucht ist und bleibt das Rauchen. 356 000 abhängige Raucher gibt es laut dem Report unter den rheinland-pfälzischen Arbeitnehmern, auch wenn jüngere Versicherte seltener zum Glimmstängel greifen. Der Anteil strikter Nichtraucher liegt unter 18- bis 29-Jährigen bei 64 Prozent, wo er bei den 60- bis 65-Jährigen magere 29,3 Prozent beträgt.

Experten warnen wiederum, dass Jugendliche künftig häufiger in die Nikotinabhängigkeit geraten könnten. Grund ist die E-Zigarette, sagt Manfred Beutel von der Mainzer Unimedizin. In amerikanischen Highschools habe es bei den sogenannten Dampfern einen Anstieg von 20 Prozent gegeben, schildert der Mediziner und hebt warnend den Zeigefinger: „Am Ende bleibt die alte Zigarettenindustrie der Anbieter, der auf ein neues Pferd setzt. Es gibt neue Geschmacksrichtungen, die Zigaretten sehen aus wie ein USB-Stick.“ Gefährlich blieben sie dennoch. Deutschlandweit, so heißt es von der DAK, dampften 85 Prozent ihre E-Zigaretten mit Nikotin oder Tabak.

Doch auch der Griff zu Bier, Wein und Schnaps beschäftigt die Krankenkasse. Alkohol sei bei Suchtproblemen der häufigste Grund, einen gelben Schein zu beantragen (58 Prozent) – vom Kater bis zu einer schweren Verletzung im Rausch. 184 000 Arbeitnehmer trinken danach in Rheinland-Pfalz so viel Alkohol, dass sie Gefahr laufen, abhängig zu werden. „Die Zahl macht uns Sorgen“, sagt Michael Hübner. Die Kasse spricht dann von einem Risiko, wenn Männer jeden Tag mindestens zwei Bier von 0,3 Litern trinken, Frauen eins und Betroffene es pro Woche nicht mindestens zwei Tage ohne Alkohol aushalten.

Zahlen zeigen, welche Folgen eine Sucht für den Job hat. Von den Alkoholabhängigen gaben 47,3 Prozent an, in den drei Monaten zuvor abgelenkt gewesen zu sein, 27,2 Prozent sind mal zu spät gekommen oder haben früher Feierabend gemacht, 17,2 Prozent kippten sich gar am Arbeitsplatz einen hinter die Binde.

Die DAK reagiert nun auf die Ergebnisse des Reports und bietet Versicherten künftig kostenlos das Online-Coaching „Vorvida“ an, um den Alkoholkonsum zu verringern. Eine Untersuchung des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf habe gezeigt, dass das Trinkverhalten bei Teilnehmern danach um 75 Prozent gesunken sei.

Ein neues Problem, das die Kasse umtreibt, ist Computerspielsucht. Die Hälfte aller Beschäftigten in Rheinland-Pfalz daddelt danach Spiele am PC, Smartphone oder Tablet, Frauen sind fast genauso stark betroffen wie Männer. 120 000 Arbeitnehmer zeigten danach ein auffälliges Nutzungsverhalten, heißt es von der DAK.

Von den besonders Spielsüchtigen zocken 47 Prozent auch mal am Arbeitsplatz, sind 34,1 Prozent immer wieder unkonzentriert oder 24,8 Prozent schon mal zu spät gekommen, weil sie vom langen Zocken übernächtigt waren. Gefährlich werde es dann, wenn das Spielen viel Zeit raube, das Interesse an einstigen Hobbys verloren gehe oder eine Beziehung gefährde, heißt es von der Kasse.

Der Mainzer Mediziner Beutel warnt davor, Kinder schon einen „exzessiven Mediengebrauch“ zu erlauben und sie an langes Spielen zu gewöhnen. Er kritisiert auch, dass Anbieter den Zockern immer weitere virtuelle Anreize setzen, Geld für das Spiel auszugeben, und den Controller so gar nicht mehr aus der Hand zu legen.

Die DAK hat für ihren Gesundheitsreport, den sie als repräsentativ bezeichnet, deutschlandweit 5600 versicherte Beschäftigte und Experten befragt.

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